Düsseldorf. Bei der unter Klüngel-Verdacht stehenden Millionenbestellung von Schutzausrüstung gibt es nun Zweifel an Qualität und Dringlichkeit.
Im Zusammenhang mit der umstrittenen millionenschweren Bestellung von Corona-Schutzausrüstung durch die Landesregierung beim Mönchengladbacher Modeunternehmen van Laack sind am Dienstag weitere Ungereimtheiten bekannt geworden.
Nach Informationen unserer Redaktion weisen die im Frühjahr eilig in Auftrag gegebenen Schutzkittel offenbar erhebliche Mängel auf. So hatte die Universitätsmedizin Essen vom NRW-Gesundheitsministerium Ende August insgesamt 40.320 Kittel der Firma van Laack zum Einsatz während der Pandemie erhalten, diese aber bis heute nicht genutzt. „Die Kittel wurden durch unsere Hygiene geprüft und nicht für die Verwendung in unserem Haus freigegeben, da sie beim Anziehen schnell reißen“, erklärte ein Sprecher des Essener Universitätsklinikums auf Anfrage. Man setze zum Schutz von Personal und Patienten nur Schutzkittel aus Vlies ein, „die gemäß DIN EN ISO 10993-5 geprüft und zertifiziert sind und den Anforderungen der PSA Verordnung EU 2016/425 entsprechen“, so der Sprecher.
Laschets Sohn ist mit van Laack geschäftlich verbandelt
Auch an anderen großen Universitätskliniken sind die Ende August/Anfang September gelieferten van Laack-Kittel bislang noch gar nicht eingesetzt worden. „Unsere Materialwirtschaft überprüft Schutzausrüstungen freiwillig selbst noch einmal auf Vorhandensein und Richtigkeit der erforderlichen Zertifikate. Dies war bis letzte Woche nicht geschehen, da wir die Kittel noch nicht verwenden und ausreichend Vorräte haben“, erklärte eine Sprecherin der Uniklinik Münster. Es lägen aber zweifelsfreie Unterlagen vor, „die die Einhaltung der DIN EN 14126:2004 belegen“.
Auch in der Uniklinik Düsseldorf war man bislang „aufgrund der guten Bevorratung“ noch gar nicht auf die van Laack-Kittel angewiesen. Die Lieferung sei mit der Deklaration „DIN EN 14126:2004“ gekennzeichnet und durch Arbeitssicherheit des Klinikums zusätzlich geprüft worden. „Bisher liegen aber noch keine Praxiserfahrungen vor“, sagte ein Sprecher auf Anfrage.
Die Landesregierung hatte im April bei van Laack medizinische Schutzkittel ohne Ausschreibung für mehr als 45 Millionen Euro brutto bestellt. Im Herbst kam es noch zu einer Großbestellung an Masken für die NRW-Polizei. Der Deal sorgt seit Wochen für Schlagzeilen, weil der älteste Sohn von Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) Ende März den Kontakt zwischen dem Regierungschef und dem van Laack-Chef Christian von Daniels hergestellt hatte.
Der Ministerpräsident hatte den van Laack-Chef persönlich angerufen
Laschet hatte am 29. März, einem Sonntag, bei von Daniels privat angerufen. Kurz darauf sollen Mitarbeiter der Landesregierung zur Begutachtung von Schutzmaterialien ins Mönchengladbacher Unternehmen gekommen sein. Der 31-jährige Johannes Laschet wirbt seit längerem als Model „Joe“ gegen Honorar in sozialen Netzwerken für van Laack-Kollektionen. Die SPD-Opposition im Landtag wittert Vetternwirtschaft und will die van Laack-Affäre an diesem Mittwoch erneut in einer parlamentarischen Fragestunde thematisieren.
Wettbewerber aus der NRW-Textilbranche sehen in dem Vorgehen der Landesregierung eine Benachteiligung. Einem Bericht von „Spiegel Online“ zufolge prüft inzwischen die Vergabekammer Rheinland das ordnungsgemäße Zustandekommen des öffentlichen Millionen-Auftrags. Der Ministerpräsident hatte die ungewöhnliche Geschäftsanbahnung über seinen Sohn mit der Notsituation in der ersten Phase der Pandemie begründet, in der Schutzausrüstung allerorten gefehlt habe: „Wir waren damals auf der Suche nach seriösen Anbietern, wir haben jeden gefragt, den wir kennen. Wir haben uns die Hände wund telefoniert.“
Van Laack-Chef Christian von Daniels hatte vergangene Woche in einem Vortrag an der Universität Witten/Herdecke auf das Alleinstellungsmerkmal seines Unternehmens verwiesen. Er habe dem Land innerhalb von zwei Monaten zehn Millionen medizinische Kittel liefern sollen: „Es hat weder damals noch heute irgendein Unternehmen in Deutschland gegeben, das diesen Auftrag in der Qualität mit all diesen Zertifikaten und in dieser Geschwindigkeit bedienen konnte.“
Gesundheitsministerin überprüfte die van Laack-Ware
Das NRW-Gesundheitsministerium erklärte am Dienstag auf Anfrage, man habe „eine behördliche Bestätigung ausgestellt, dass die Kittel auf Grund der akuten Gefahrensituation nur in medizinischen und pflegerischen Einrichtungen in Nordrhein-Westfalen zum Schutz vor Coronaviren und nur für die Dauer der Corona Pandemie verwendet werden dürfen“. Damit hätten die Verwender erkennen können, dass die van Laack-Lieferung als Persönliche Schutzausrüstung (PSA) genutzt werden dürfe, obwohl sie nicht vollständig den Anforderungen der europäischen PSA-Verordnung und den einschlägigen Normen entspreche.
Zuvor habe das Gesundheitsministerium eine Prüfung der van Laack-Ware durch das Institut für Arbeitsschutz (IFA) der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung in Auftrag gegeben, um ein von der Modefirma vorgelegtes Zertifikat über die „DIN EN 14126“ abzusichern. Damit sei den Kittel-Materialien zumindest die „Abweisungsfähigkeit gegenüber Flüssigkeiten“ bescheinigt worden. „Verkehrsfähiges“ Schutzmaterial für den Einsatz im Medizinsektor soll im Frühjahr nicht zu erwerben gewesen sein.