Düsseldorf. NRW-Schulministerin Gebauer hat mit einem Zickzack-Kurs in der Corona-Krise Eltern und Lehrer gegen sich aufgebracht. Hat sie noch eine Chance?

Yvonne Gebauer kennt den Moment, in dem jegliche Amtsautorität verloren scheint. Als die schwer angeschlagene NRW-Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) am 1. Mai 2017, zwei Wochen vor der Landtagswahl, fröhliche Regenschirm-Fotos von sich bei „Facebook“ mit der Unterzeile „Gute Stimmung, gute Gespräche trotz schlechtem Wetter“ einstellte, gab es im Netz hässliche Reaktionen.

Eine besonders hämische lautete: „..trotz schlechten Wetters. Eine Ministerin und ihre Grammatik. Kein Wunder, dass es mit der Bildung in NRW in den letzten Jahren immer weiter bergab gegangen ist.“ Der Eintrag stammte von Yvonne Gebauer.

Gebauer ist inzwischen selbst Schulministerin und in einer vergleichbar verfahrenen Lage wie Löhrmann. Damals wurde bis zur Abwahl über Inklusion und Turbo-Abitur gestritten, heute über Präsenzunterricht und Infektionsschutz in der Corona-Krise. Die 54-jährige FDP-Politikerin wird für einen wirren bildungspolitischen Kurs der schwarz-gelben Landesregierung verantwortlich gemacht. Über Monate wurde gegen jeden guten Rat aus den Schulen erbittert am „Regelbetrieb“ festgehalten und das alternative „Distanzlernen“ verboten, um dann am vergangenen Freitagnachmittag ansatzlos bis mindestens 10. Januar 2021 die Präsenzpflicht für alle aufzuheben.

Schüler und Lehrer wurden nicht zum ersten Mal kalt erwischt. In Elternforen wird Gebauer wüst beschimpft. Selbst verbeamtete Studienräte stöhnen nicht mehr leise: Erst erkannte man keinen Plan A, dann fehlte auch noch Plan B.

Die Opposition hat bereits den Rücktritt gefordert

Dass die SPD-Opposition nach der jüngsten Kehrtwende Gebauers Rücktritt fordert, wäre zu verschmerzen. Doch auch CDU-Kommunalpolitiker und eher selten krawallige Verbandsvertreter wirken entsetzt über die Performance der Regierung „ihres“ Ministerpräsidenten Armin Laschet (CDU). Der Vorsitzende der Schulleitungsvereinigung NRW, Harald Willert, bilanzierte bitter im WDR: „Das Ministerium lebt ständig von der Hand in den Mund, es gibt keine Strategie, es gibt keine Konzepte.“

Gebauer ist nur noch Ministerin auf Abruf. Wer sie ein wenig kennt, fragt sich, wie es soweit kommen konnte. Der freundlichen Kölnerin fehlt eigentlich das Schulmeisterliche vieler Bildungsminister, das oft den Blick für lebensnahe Lösungen verstellt. Gebauer hat nie selbst vor einer Klasse gestanden. Nach dem Abitur machte sie eine Lehre zur Rechtsanwaltsfachangestellten, führte später ein Langzeithotel und wurde Geschäftsführerin einer Immobilienfirma.

Sie hat sich die Schulpolitik seit 2004 im Kölner Stadtrat und ab 2012 als Sprecherin der FDP-Landtagsfraktion über Jahre angeeignet. Zu Oppositionszeiten in Düsseldorf zeichnete sie aus, dass sie gekonnt die ideologischen Spielwiesen der rot-grünen Regierung umpflügte und trotzdem von allen gemocht wurde.

Gebauer entstammt dem Kölner FDP-Adel

Gebauer entstammt dem „Kölner FDP-Adel“. Ihr Vater, der Liberale Wolfgang Leirich, war in den 70er und 80er Jahren Schuldezernent von Köln. Sie ist auf Du und Du mit der einflussreichen Stadtgesellschaft, interessiert sich für Pferdezucht, fliegt schon mal zu Verhandlungen aus Mallorca ein und kurvt im Sommer mit dem Cabrio durch Düsseldorf.

Dennoch wirkte bei Gebauer die liberale Großsprecherei der Marke Lindner („German Mut“) immer angenehm ironisch gebrochen. Im Wahlkampf 2017 klebte zwar auf ihrem Auto der vermessene Slogan „Mit Herz und Verstand für weltbeste Bildung“, doch nach dem Abitur ihres Sohnes kommentierte sie augenzwinkernd: „Höhepunkt familiärer Bildungspolitik.“

Als sie einmal von Boulevardfotografen bei einer Veranstaltung an der Seite des weitaus prominenteren FDP-Politiker Alexander Graf Lambsdorff abgelichtet wurde, stellte sie bei „Facebook“ erfrischend klar: „Ich bin nicht die Ehefrau von Graf Lambsdorff.“ Die Ministerin feiert gern und ist an Karneval immer kostümiert mittendrin.

Gebauer muss wohl durchhalten, sonst ist auch Laschet gescheitert

Warum es dieser leutseligen Politikerin nie gelungen ist, in der Corona-Krise alle Akteure auf einen pragmatischen Kurs einzustimmen, gibt Rätsel auf. Der Schulbetrieb in NRW mit 2,5 Millionen Schülern, 200.000 Lehrern, fünf Bezirksregierungen und 300 Ministeriumsmitarbeitern ist kompliziert, doch bei kluger Steuerung könnte er auch Quell guter Ideen sein.

Gebauer wirkte zuletzt bei öffentlichen Auftritten gereizt und kurzatmig. Oft überließ sie ihrem sendungsbewussten Staatssekretär Mathias Richter (FDP) das Feld. Gebauers Vertrauter, Vize-Ministerpräsident Joachim Stamp (FDP), machte durch Brachialverteidigung mit Lehrer- und Gewerkschaftsschelte alles nur noch schlimmer.

Dennoch wird Gebauer durchhalten müssen. Ihr Rücktritt wäre auch für Ministerpräsident Laschet das Eingeständnis des Scheiterns. 2016 hat Yvonne Gebauer über die Verdrängungskünste ihrer Amtsvorgängerin etwas gesagt, was nun auch auf sie zutrifft: „Die Schulministerin ist Meisterin der Illusion.“