Düsseldorf. Heizen wäre gefährlich. Die Kirchen bereiten sich auf ein Ausnahme-Weihnachtsfest vor und experimentieren mit neuen Angeboten.
Mit Sicherheitsabstand, oft ohne Heizung und vielerorts auch online: Die katholischen (Erz-)Bistümer und die Evangelischen Landeskirchen in NRW bereiten sich auf ein Ausnahme-Weihnachtsfest vor, dessen Gottesdienste trotz widrigster Rahmenbedingungen möglichst viele Menschen erreichen sollen
„Organisatorisch und logistisch sind Weihnachtsgottesdienste unter Infektionsschutzbedingungen ein große Herausforderung. Aber das bekommen wir hin“, sagte der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Manfred Rekowski, dieser Redaktion.
Die Pandemie zwingt die Gemeinden vor Ort zum Improvisieren. Der gewohnte Gottesdienst in vollen Kirchen ist in diesem Dezember unmöglich. Dafür wird vieles nach draußen verlagert oder in für kirchliche Aktivitäten ungewöhnliche Räume wie Schützen- oder Reithallen.
Es ist gewagt, zu sagen, NRW feiere bald Weihnachten. Ein unbeschwertes Fest ist mitten in der Pandemie ja nicht denkbar. Die Kirchen müssen improvisieren, um möglichst viel von dem Fest, das wir kennen, zu retten. Tatsächlich wird in allen Gemeinden Weihnachten gefeiert. Allerdings unter strengen Auflagen.
Wie voll dürfen die Kirchen sein?
Das mit der NRW-Staatskanzlei abgestimmte Hygienekonzept lässt in Kirchen maximal 250 Gäste zu. Dafür gibt es eine Formel: „Raum geteilt durch Abstand gleich Teilnehmerzahl“, erklärt Kirchenrat Rüdiger Schuch, der Leiter des Evangelischen Büros NRW. Er ist Beauftragter der Evangelischen Kirchen in Westfalen, im Rheinland und Lippe bei Landtag und Landesregierung. 250 Kirchgänger sind mit dieser Formel aber nicht einmal in großen evangelischen Gotteshäusern wie St. Reinoldi in Dortmund oder in der Soester Wiesenkirche denkbar. Vielerorts werden sich wohl nur 50 oder 80 Menschen in der Kirche treffen dürfen.
Im katholischen Dom zu Münster sind knapp 250 Personen bei 800 Plätzen erlaubt, im Kölner Dom nur etwa 170, rechnet der Leiter des Katholischen Büros NRW, Antonius Hamers, vor. Sein Büro vertritt die Erzbistümer Köln und Paderborn sowie die Bistümer Essen, Aachen und Münster.
Was gilt für Freiluft-Gottesdienste?
Einige Gemeinden hatten Freiluft-Veranstaltungen mit 1000 oder noch mehr Gästen geplant, aber daraus wird nichts. Wegen des Infektionsgeschehens liegt die Obergrenze draußen bei 500 Personen. Bund und Länder hatten sich darauf verständigt, dass „Gottesdienste mit Großveranstaltungscharakter“ zu vermeiden sind.
Welche Regeln gelten allgemein?
Vor allem der Sicherheitsabstand und das Tragen des Mund-Nase-Schutzes. Das Maskentragen in der Kirche ist ab einer 7-Tage-Inzidenz von 35, die in NRW überall überschritten wird, Pflicht, so Antonius Hamers. Auch am Sitzplatz darf die Maske nicht abgenommen werden.
Gottesdienstbesucher dürfen derzeit in evangelischen und katholischen Kirchen nicht singen. Bei Außenveranstaltungen ist Gesang unter Beachtung des Sicherheitsabstandes erlaubt.
Chöre werden kleiner sein als üblich, und die Sänger müssen einen Abstand von zwei Metern einhalten.
Müssen sich Gottesdienstbesucher anmelden?
Das ist vielerorts Pflicht oder wird wegen der eingeschränkten Zahl der Plätze zumindest „dringend empfohlen“, so Rüdiger Schuch. Das Risiko, abgewiesen zu werden, ist groß. Zudem müssen die Gemeinden auf die Rückverfolgbarkeit der Besucher achten., das heißt auf Namen, Adressen, Telefonnummern und Platz der Kirchgänger. Außen wird nicht auf feste Steh- oder Sitzplätze geachtet, die persönlichen Daten werden dennoch aufgeschrieben.
Wie sollte ich mich anziehen?
Dicker Mantel, Pullover, Mütze und vielleicht sogar eine Decke sind wichtiger als elegante Garderobe. „Die Gottesdienstbesucher müssen sich warm anziehen“, sagt Antonius Hamers. In den meisten Kirchen wird nämlich nicht geheizt. Viele Kirchen-Heizungen sind in Bezug auf den Infektionsschutz gefährlich. „Oftmals handelt es sich um Gebläse-Heizungen, die Luft ansaugen und wieder ausstoßen. Das wären Virenschleudern“, erklärt Hamers. Gemeindehäuser hätten hingegen oft sichere Heizungen, so Schuch.
Welche Alternativen gibt es zum normalen Gottesdienst?
„Viele Gemeinden verlagern den Gottesdienst nach außen“, sagt Kirchenrat Schuch. Vor die Kirche, auf Markt- oder Sportplätzen, Parkdecks, Firmengeländen, Zelten oder zum Beispiel in die Schüco-Arena Bielefeld. „Weihnachtsspaziergänge“ rund um die Kirche sind hoch im Kurs. Die Spaziergänger halten Abstand und besuchen weihnachtliche „Stationen“ wie eine Krippe.
In Herne und Hagen soll es ökumenische Weihnachtsgottesdienste als „Autokino“ geben. In Lippstadt fährt ein weihnachtliches Trecker-Gespann von Haus zu Haus, in Hamm gibt es einen Weihnachtsgottesdienst auf einem Bauernhof. Schützen- und Reithallen werden umfunktioniert. „Man bewegt sich in die Gemeinden hinein, zu den Haustüren, durch die Straßen“, sagt Schuch.
Andere Gemeinden bieten Familien an, einen kirchlichen Raum für eine Viertelstunde zu „mieten“. Es gibt vielerorts mehr, dafür aber kürzere Gottesdienste als sonst. „Acht Mal hintereinander geht das aber nicht, weil zwischendurch konsequent gelüftet werden muss“, sagt Schuch. Dafür schreite die Digitalisierung von Kirche voran, mit zahlreichen „Online-Übertragungen aus der heimatlichen Pfarrkirche“, erlärt Hamers.
Was sagt der Präses der Evangelischen Kirche Im Rheinland über Weihnachten 2020?
Manfred Rekowski wird Heiligabend einen Gottesdienst auf einem Friedhof in Wuppertal zelebrieren und an die Opfer der Pandemie erinnern. Diesmal werde Weihnachten nicht so sein wie sonst. Aber wie alle Jahre wieder trage auch diesmal die Botschaft des Weihnachtsengels: „Fürchtet euch nicht!“. Die Welt sei ja nicht erst seit der Pandemie zum Fürchten, so Rekowski und er hofft: „Dieses Jahr lässt uns die Zusage der Nähe Gottes möglicherweise aufmerksamer hören.“
In Zeitungen wird die Rheinische Kirche kurz vor Weihnachten 1,6 Millionen „Anleitungen zum Hausgottesdienst“ veröffentlichen.