Bochum. Mitten in der Corona-Krise gründen Pflegekräfte eine Gewerkschaft. Über 1000 Mitglieder zählt der Bochumer Bund inzwischen.
Bundesweit verlieren Gewerkschaften an Mitgliedern. Trotzdem glauben Pflegekräfte aus dem Ruhrgebiet, mit einer eigenen Arbeitnehmervertretung Erfolg zu haben. Sie haben den „Bochumer Bund“ gegründet. Das sind einige ihrer Anliegen.
1. Pfleger sollen für Pfleger sprechen
Eigentlich kümmert sich die Gewerkschaft Verdi um die Belange der Berufsgruppe. Trotz Klagen über Arbeitsbedingungen sind aber nur wenige Pflegekräfte gewerkschaftlich organisiert. Für Benjamin Jäger, Vorsitzender des Bochumer Bundes, hat das auch diesen Grund: In einer großen Gewerkschaft sei die Pflege nur ein kleiner Teil. „Vertreten werden wir dort in der Regel von Menschen, die selbst nie am Bett gestanden haben.“
2017 hat Jäger mit Gleichgesinnten an der Hochschule für Gesundheit in Bochum die Idee entwickelt , dem eine bundesweite Pflegegewerkschaft entgegenzusetzen. Beim „Bochumer Bund“ sollen Pflegekräfte für Pflegekräfte sprechen und so schlagkräftiger sein. „Eine Gewerkschaft, in der Menschen aus dem Beruf kommen, kennt die Probleme im Detail“, meint der Essener Krankenpfleger.
„Ein Teil unserer Machtlosigkeit ist systembedingt. Eine Gewerkschaft, in der Menschen aus dem Beruf kommen, kennt die Probleme im Detail“, meint der Essener Gesundheits- und Krankenpfleger.
2. Organisationsgrad erhöhen
Im Mai ist die Spartengewerkschaft mit 100 Mitgliedern gestartet. Obwohl die Gewerkschaft nur wenig öffentlich in Erscheinung getreten ist, sind es inzwischen 1000. Zu ihnen gehören aut Gewerkschaft Pflegekräfte aus allen Bereichen, auch Studierende und Lehrkräfte. Die Hälfte komme aus NRW. 2021 will der Bochumer Bund die 500er-Marke überschreiten. „Unser Ziel ist es, für alle 1,5 Millionen beruflich Pflegenden sprechen zu können“, sagt Jäger.
Wie will er überzeugen? Auch wenn der kleinen Spartengewerkschaft die Schlagkraft einer großen Verdi fehlt: Als Neuling könne der Bochumer Bund flexibler agieren, findet Jäger, Hierarchien seien flach, der Austausch verlaufe vor allem digital. Die Gewerkschaft setzt auf Nachwuchskräfte, die genau wissen, wie begehrt sie am Markt sind. Genauso soll erfahrenen Kollegen ein Angebot gemacht werden. „Bei vielen ist die Enttäuschung groß. Es herrscht eine Art Politikverdrossenheit, der wir als neue berufliche Vertretung entgegentreten können.“
3. Tarifvertrag erstreiten
Die jüngste Tarifeinigung für den öffentlichen Dienst erreicht nur einen Teil der Pflegekräfte in NRW unmittelbar. Die meisten Jobs in der Branche schaffen gemeinnützige und private, nicht kommunale Träger. Der Bochumer Bund will einen bundesweit verbindlichen Tarifvertrag für alle Pflegebeschäftigten erstreiten – langfristig. Tariffähig ist eine Gewerkschaft erst, wenn sie eine gewisse Mächtigkeit hat. Sie muss ausreichend Mitglieder haben, um Tarifverträge durchzusetzen.
Der Bochumer Bund plant für 2021 zunächst, erste Gespräche über Haustarife zu führen. „Arbeitgeber, die früher selbst in der Pflege beschäftigt waren, sind offener“, sagt Jäger aus der ersten Erfahrung.