Düsseldorf. NRW-Ministerpräsident Laschet ruft den November zum „Monat der Entschleunigung“ aus. Doch sein eigener Koalitionspartner wirkt wenig überzeugt.
Der Tag hatte für Armin Laschet schon denkbar schlecht begonnen. Die „Bild“-Zeitung zeigte den NRW-Ministerpräsidenten am Freitag riesengroß auf ihrer Titelseite ohne Mund-Nasen-Bedeckung im Flugzeug. Das Foto eines Mit-Passagiers auf dem Mittwochabend-Flug von Köln nach Berlin zeigte Laschet in seinem Sitz nach hinten umgedreht zu seinem Regierungssprecher – seine Maske baumelte dabei locker an einem Ohr herunter.
Wenige Stunden nach dem Ministerpräsidenten-Beschluss über harte Corona-Maßnahmen für November und eindringlichen Laschet-Appellen konnte der Schnappschuss bei Gastronomen, Freizeitsportlern oder freiheitsliebenden Bürgern leicht so ankommen, als predige hier einer Wasser, der heimlich selbst Wein genieße. Laschets Sprecher versicherte der „Bild“, der Ministerpräsident habe das Maske-Tragen lediglich „für einen kurzzeitigen Moment zum Verzehr von Speisen und Getränken unterbrochen“. Der mitreisende Passagier, der das Foto schoss, erinnerte sich offenbar aber ganz anders. Auf dem Foto ist nicht zu sehen, dass Laschet isst oder trinkt.
„Lassen Sie uns den November zum Monat der Entschleunigung machen“
Dabei wollte der Ministerpräsident am Freitagmorgen die NRW-Bürger in einer Unterrichtung im Landtag eigentlich zum Mitmachen motivieren. Die Infektionszahlen steigen erschreckend schnell an. Die zweite Welle baut sich bedrohlich hoch auf. Die Intensivstationen der NRW-Kliniken füllen sich stetig mit neuen Covid-19-Patienten. „Ziel ist es, das öffentliche Leben für einen Monat zu reduzieren“, mahnte Laschet.
Ab Montag müssen Gastronomie, Sportanlagen, Kultureinrichtungen und viele Freizeitbetriebe schließen. Nur noch zwei Personen aus unterschiedlichen Haushalten dürfen sich in der Öffentlichkeit treffen. Laschet war im Landtag bemüht, um Verständnis für den strikten Kurs zu werben. „Das, was wir machen, ist angemessen, aber für viele Menschen eine Zumutung“, sagte er. Nur wenn alle Bürger mithelfen würden, sei die Pandemie wieder in den Griff zu bekommen. Der Appell des Regierungschefs: „Lassen Sie uns den November zum Monat der Entschleunigung machen.“
Doch selbst Laschets Koalitionspartner FDP trägt die neuen Corona-Maßnahmen offensichtlich nur arg widerwillig mit. Es rumort bei den Liberalen. Nicht jeder mag einsehen, warum ausgerechnet Gastronomie, Hotels und Freizeiteinrichtungen ihrer Geschäftsgrundlage beraubt werden, obwohl sie seit Monaten viel Personal und Geld in Hygienemaßnahmen gesteckt hatten. Wilde Corona-Partys gab es woanders. Vize-Ministerpräsident Joachim Stamp (FDP) machte deutlich, dass man nur die Hand für diesen „Lockdown light“ reiche, um in der Krise nicht das bundesweit einheitliche Vorgehen zu gefährden.
Gastronomie und Amateursport - FDP trägt Corona-Maßnahmen nur widerwillig mit
FDP-Fraktionschef Christof Rasche äußerte erhebliche Zweifel, dass sich selbst mit den versprochenen großzügigen Bundeshilfen wirklich alle sozialen Härten auffangen ließen. Kellner in der Gastronomie bestritten etwa mit Trinkgeldern ihre Miete. „Ich bin gespannt, wie man das ersetzen will“, so Rasche. Auch beim Freizeitsport hätte er sich mehr „Differenzierung“ gewünscht. So finden es die Liberalen nicht nachvollziehbar, warum Vereine nicht wenigstens kontaktfreien Sport weiter anbieten können. NRW befindet sich ab Montag tatsächlich in der absurden Lage, dass Zehntausende Jugendliche vormittags auf engstem Raum zusammen in der Schule hocken, nachmittags aber nicht mit dem Trainer an der frischen Luft ihre Fitness trainieren dürfen.
„Die Maßnahmen müssen auf den November beschränkt bleiben“, forderte Rasche ultimativ. Aber ist das realistisch? Wer Ministerpräsident Laschet folgte, hörte vielmehr eine gewisse Ratlosigkeit heraus: „Wir werden uns viel einfallen lassen müssen, was wir nach dem 30. November machen.“
Die Opposition warf Laschet vor, die vergleichsweise unbeschwerten Sommer-Monate mit geringen Corona-Zahlen nicht genutzt zu haben, um das Land für die zweite Welle zu wappnen. „Sie haben die Bedrohung verdrängt. Ich nenne das Führungsschwäche“, kritisierte SPD-Fraktionschef Thomas Kutschaty. Laschet habe sich mit allerlei Lockerungen befasst, statt Schulen, Gesundheitsämter und Pflegeeinrichtungen auszurüsten. Kutschaty behauptete: „Kein Flächenland ist so schlecht vorbereitet auf die zweite Welle wie Nordrhein-Westfalen.“