Düsseldorf. Der Ministerpräsident spricht überraschend bei Stahlarbeiter-Demo in Düsseldorf. Er bekennt sich zum Stahl. Aber will er auch den Staatseinstieg?

Armin Laschet hatte für seinen überraschenden Auftritt bei der Thyssen-Krupp-Großdemonstration am Freitagvormittag in den Düsseldorfer Rheinwiesen eine Krawatte in IG Metall-Rot gewählt. Gleich nach der Ankunft auf der Bühne bekam er zudem einen „Stahl ist Zukunft“-Mundschutz überreicht. Und weil der Ministerpräsident als einziger Redner ohne Mantel im eiskalten Wind stand, sprach er schnell mit ungewohnt rauer Kundgebungsstimme.

Doch wichtiger als die Symbolik dieses Auftritts war den - nach Gewerkschaftsangaben - rund 3000 auf Corona-Abstand gehaltenen Demo-Teilnehmern der Inhalt der Regierungschef-Ansprache. In der Stahlbranche stehen direkt 27.000 Arbeitsplätze auf der Kippe und noch einmal 150.000 Jobs bei Zulieferern. Vor der Corona-Krise hatten sich die Beschäftigen abermals auf eine Rosskur eingelassen: Verkauf der lukrativen Aufzugsparte und Abbau von 3000 Arbeitsplätzen. Das Traditionsunternehmen schreibt dennoch beim Stahl tiefrote Zahlen. Allein in den ersten neun Monaten des Jahres lief ein operativer Verlust von 841 Millionen Euro auf. Laschet ist die letzte Hoffnung.

Staatseinstieg sollen den Umstieg auf grünen Stahl erst möglich machen

„Wir brauchen nicht neue Eigentümer, die Gewinne machen wollen, sondern den Staatseinstieg, um die Transformation zu grünem Stahl hinzubekommen“, sagte IG Metall-Vorstand Jürgen Kerner, der im Aufsichtsrat bei Thyssen-Krupp sitzt. Ansonsten werde die Basis der deutschen Industrie für immer verschwinden. Bis Weihnachten wollen die Stahlarbeiter Klarheit über eine Beteiligung des Landes.

Bislang hat Laschet einen Einstieg des Staates klar abgelehnt: „Das sehe ich – nach derzeitigem Stand – nicht“, hatte er dieser Tage in der „Wirtschaftswoche“ wiederholt. Vor den Stahlarbeitern blieb er zwar bei seiner ordnungspolitischen Linie: „Ich glaube am Ende nicht, dass Politiker die besseren Unternehmer sind.“ Zugleich gab der Ministerpräsident aber ein ziemlich flammendes Statement ab: „Der Staat darf sich nicht zurückziehen, der Staat muss helfen und mein Bekenntnis ist klar: Wir werden helfen und wir brauchen Stahl.“ Thyssen-Krupp gehöre „zur DNA von Nordrhein-Westfalen“, so Laschet. „Stahl ist systemrelevant und wir können nicht akzeptieren, dass wir in Deutschland keine Stahlproduktion mehr haben.“

Laschet zu Liberty-Angebot: „Nicht zu Billig-Bedingungen zu haben“

Die Landesregierung versucht gerade mehrere Konzerne in NRW zusammen zu spannen, um perspektivisch klimaneutralen Stahl mit Wasserstoff aus Ökostrom zu produzieren. Damit könnte man Weltmarktführer werden. Das Problem: Thyssen-Krupp hat weder die Zeit noch das Geld für diesen komplizierten Umstieg. Laschet weiß, dass für den Umstieg auf grünen Stahl Milliarden erforderlich sind: „Dies geht nur, wenn auch der Staat mithilft, wenn dafür Geld bereit steht vom Bund und auch vom Land.“ Dazu ist er augenscheinlich bereit.

Doch in der Belegschaft geht die Angst um, dass vorher Fakten geschaffen werden. Zum Angebot des britischen Wettbewerbers Liberty Steel für den Kauf des Stahlgeschäfts von Thyssen-Krupp, das am Freitag bekannt wurde, ging Laschet sofort auf Distanz: „Wer auch immer im Ruhrgebiet beteiligt werden will, eins muss klar sein: Thyssen-Krupp ist nicht zu Billig-Bedingungen zu haben, es ist kein Ein-Euro-Geschäft.“ Wer die Sozialpartnerschaft nicht akzeptiere, könne „kein Partner für welche Fusion auch immer sein“.

Am Ende erntete Laschet überraschend freundlichen Applaus. IG Metall-Bezirksleiter Knut Giesler bilanzierte, man habe vom Landesvater vieles gehört, „was unser Herz schon ein bisschen wärmer macht“.