Essen. Pornos, Shoppen, Spielen – Forscher der Uni Duisburg-Essen wollen Mechanismen der Onlinesucht ergründen, um Therapien für Nutzer zu verbessern.
Nach Schätzungen von Experten sind mehr als 800.000 Menschen in Deutschland „von Medienabhängigkeit betroffen“. Sie spielen exzessiv am Computer, shoppen im Netz, konsumieren Pornos oder sind unablässig bei Facebook, Whatsapp & Co. unterwegs. Was dabei in den Köpfen der Nutzer vor sich geht und wie sich ihr Verhalten möglicherweise ändern lässt, will eine Forschergruppe unter Leitung von Prof. Matthias Brand von der Uni Duisburg-Essen untersuchen.
Die Coronakrise hat den Trend zur überbordenden Mediennutzung offenbar noch verstärkt. So stieg die Zeit, die Kinder und Jugendliche mit Computerspielen verbracht haben im Mai 2020 im Vergleich zum Herbst des letzten Jahres in der Woche um 75 Prozent an, ergab kürzlich eine Untersuchung der DAK. Ähnlich problematisch entwickelte sich demnach die Nutzung der Sozialen Medien im Internet.
Corona-Pandemie befördert Risiko für Onlinesucht
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Nach Ansicht von Experten befördert die Corona-Pandemie somit auch die Gefahr für Online- oder Mediensucht. Die eingeschränkten sozialen Kontakte, Schul- und Unischließungen, Homeoffice und Quarantäne hätten dem Internet einen enormen Bedeutungszuwachs beschert. Neben den Chancen und Möglichkeiten des Internets während der Pandemie stiegen zugleich aber auch die Risiken für exzessives und suchtartiges Verhalten.
„Gaming Disorder“, das suchtartige Computerspielen, hat die Weltgesundheitsorganisation bereits als eigenständige Erkrankung anerkannt. Sich unkontrolliert seiner Sucht hinzugeben, passiert aber nicht nur beim Spielen: Auch hemmungslose Pornografienutzung, Online-Shopping und ausuferndes Surfen in den Sozialen Netzwerken können zum Problem werden.
Wie werden die Nutzer gereizt?
Welche psychologischen Mechanismen diesen Störungen zugrunde liegen und wie sie zur Sucht werden, wollen Prof. Matthias Brand vom „Lehrstuhl für Allgemeine Psychologie: Kognition“ und seine Kollegin Elisa Wegmann von der Uni Duisburg-Essen herausfinden.
Warum verhalten und entscheiden sich Nutzer so? Wie werden sie gereizt? Können sie ihre Impulse und Süchte unterdrücken? Diesen und weiteren Fragen gehen die Forscher nach. Dazu wollen sie erstmalig eine große Anzahl von über 1300 Probanden mit diversen Fragebögen und Tests untersuchen, was in dieser Form nur in einem überregionalen Forschungsverbund möglich ist. Auch Scans von Hirnaktivitäten sollen dazu ausgewertet werden.
Vorbeugung und Therapie als Ziele
Durch einen Vergleich von Personen mit entweder unproblematischem oder riskantem bis hin zu pathologischem Verhalten „können wir verschiedene Stadien des Suchtprozesses aufzeigen“, so Brand, der zugleich Sprecher der Forschungsgruppe ist.
Ziel der großen Studie ist es, neue Ansätze zu entwickeln, um Onlinesucht besser vorzubeugen oder sie zu behandeln. „Nur wenn wir die Mechanismen der Entstehung und Aufrechterhaltung des süchtigen Verhaltens verstehen, können auch Prävention und Therapie dieser neuen Störungen verbessert werden. Dazu wollen wir einen Beitrag leisten“, erklärt Brand.
>>>> Förderung für neue Forschungsgruppe
Die Forschungsgruppe „Affective and Cognitive Mechanisms of Specific Internet-Use-Disorder“ (ACSID) unter Leitung von Prof. Matthias Brand wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) für die nächsten drei Jahre mit insgesamt 3,2 Millionen Euro gefördert.
Beteiligt daran sind Kollegen der Universitäten Bochum, Bamberg, Gießen, Mainz, Lübeck, Siegen, Ulm und der Medizinischen Hochschule Hannover.