Düsseldorf. Als Lehre aus dem Fall Amri hat NRW die Kompetenzen bei der Staatsanwaltschaft neu geordnet. Vor allem Gefährder sind so besser im Blick.
Ein Paket mit Nägeln und Schwarzpulver in der Zugtoilette eines abgestellten Waggons am Bahnhof Köln-Deutz? Es dauerte am vergangenen Freitagabend nicht lange, bis die Polizei „ZenTer NRW“ einschaltete. Hinter dem Behördenkürzel verbirgt sich die „Zentralstelle Terrorismusverfolgung“, die seit 2018 bei der Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf angesiedelt ist. Die insgesamt zwölf spezialisierten Staatsanwälte werden immer dann hinzugezogen, wenn es irgendwo in NRW nach Terror riecht.
Im Kölner Fall konnte Oberstaatsanwalt Markus Caspers, der „ZenTer“ leitet, am Montag bereits Entwarnung geben. Man ermittele gegen Unbekannt wegen des Vortäuschens einer Straftat. „Da sich die Bombe als nicht zündfähig erwiesen hat, müssen wir davon ausgehen, dass dies auch nicht beabsichtigt war“, sagte Caspers.
Lehre aus dem Behördenversagen im Fall des Berliner Weihnachtsmarkt-Attentäters
Dennoch zeigt der Fall exemplarisch, wie die noch vergleichsweise junge Anti-Terror-Einheit der Staatsanwaltschaft arbeitet. Seit ihrer Gründung im Frühjahr 2018 hat sie bereits über 900 Ermittlungsverfahren geführt. Caspers und seine Leute kommen immer dann zum Zuge, wenn die Schwelle zur Übernahme einer staatsgefährdenden Straftat durch den Generalbundesanwalt noch nicht überschritten ist, sich eine Bündelung der Erkenntnisse aber sehr wohl empfiehlt.
Die Gründung von „ZenTer“ sei eine Lehre der neuen Landesregierung aus dem Weihnachtsmarkt-Attentat von Berlin 2016 gewesen, erklärte Justizminister Peter Biesenbach (CDU). Damals war der Terrorist Anis Amri den Behörden bestens bekannt, doch nicht zuletzt das Zuständigkeitsgerangel unterschiedlicher Stellen sorgte dafür, dass der Islamist dennoch zuschlagen konnte. „Wir haben uns entschieden, die Maschen, durch die Amri geschlüpft ist, zu schließen“, so Biesenbach. „ZenTer“ ist als landesweite Spezialeinheit an die Stelle von drei bisherigen Schwerpunkt-Staatsanwaltschaften in NRW getreten. Andere Bundesländer haben ähnliche Kompetenzzentren gebildet.
Auch wenn kaum jemand die Zentralstelle für Terrorismusbekämpfung kennt, hat sie offenbar schon häufig im Hintergrund entscheidend mitgewirkt. Sie sei „schlagkräftig und rund um die Uhr einsatzbereit“, lobte Biesenbach. 50 Haftbefehle konnten seit 2018 erreicht werden. Prominente Verfahren fallen darunter. Wie die Ermittlungen gegen die Ehefrau des Kölner „Rizin-Bombers“ oder 2018 im Falle einer brutalen Geiselnahme eines Tatverdächtigen aus Syrien am Kölner Hauptbahnhof. Ganz aktuell ermittelt „ZenTer“ gegen einen 14-Jährigen aus der rechtsextremen Szene, der in Chats dazu aufgerufen haben soll, in Moscheen und Synagogen Menschen zu ermorden.
Bündelung der Ermittlungen gegen behördenbekannte Gefährder
Zu den zentralen Aufgaben gehört überdies die Bündelung sämtlicher Ermittlungen gegen behördenbekannte Gefährder. Aktuell gibt es in NRW 200 potenzielle Terroristen, die dem IS zugeordnet werden. 25 Gefährder stammen aus dem Rechtsextremismus – Tendenz steigend. Zudem haben Caspers und seine Leute noch zehn Personen mit Bezug zu ausländischen Terrorgruppen im Fokus und einen Linksextremisten. Seit 2018 hatte man sogar insgesamt 660 Gefährder in der Datei.
Das Konzept: Wann immer irgendwo ein Strafverfahren gegen diese Leute geführt wird, nimmt sich „ZenTer“ der Sache an. Selbst bei Bagatellen wie Verkehrsdelikten. „Es ist wichtig, dass man im Plädoyer die gesamte Person darstellen kann“, sagte Caspers. Biesenbach erhofft sich auch eine Warnung an die potenziellen Terroristen: „Derjenige soll den Eindruck bekommen: Wir haben Dich im Blick.“