Düsseldorf. Die Polizei hat vor einem Jahr den ersten Gift-Anschlag in Deutschland anscheinend knapp vereitelt. Nun kommen die Verdächtigen vor Gericht.
In einer Wohnung der berüchtigten Kölner Hochhaussiedlung Chorweiler liefen die Vorbereitungen auf Hochtouren. Der Tunesier Sief Allah H. (30) und seine zum Islam konvertierte deutsche Frau Yasmin (43) hatten das Supergift Rizin hergestellt, eine Testexplosion ausgelöst und bastelten nun an einem Sprengsatz - so steht es zumindest in der Anklageschrift der Bundesanwaltschaft. Eine Explosion der Bombe wäre der erste Terroranschlag in Deutschland mit einem biologischen Kampfstoff gewesen. An diesem Freitag (7. Juni) beginnt im Hochsicherheitstrakt des Düsseldorfer Oberlandesgerichts der Prozess gegen das verdächtige Paar.
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Das unheimliche Treiben in dem 15-stöckigen Hochhaus blieb den Behörden lange verborgen. Ein ausländischer Geheimdienst schöpfte schließlich Verdacht - wohl wegen der ungewöhnlichen Online-Käufe - und gab einen Hinweis. «Das muss aus den USA gekommen sein», sagt Verteidiger Serkan Alkan.
BKA-Präsident sprach von konkreten Vorbereitungen eines Anschlags
Mitte Juni 2018 hatten sich die Verdachtsmomente so sehr verdichtet, dass die Ermittler zugriffen. Erst wurde der Ehemann, ein paar Wochen später auch seine Frau festgenommen. Der Präsident des Bundeskriminalamts, Holger Münch, sprach von «ganz konkreten Vorbereitungen» eines Anschlags «einer neuen Dimension».Die Ermittlungen ergaben, dass eine mit dem hochgiftigen Bio-Kampfstoff Rizin präparierte Splitterladung «an einem geschlossenen und belebten Ort» gezündet werden sollte. Unklar blieb bislang, ob der Tunesier und seine Frau schon ein konkretes Ziel vor Augen hatten.
Vermutlich eher ein Zufall: Das Hochhaus, in dem das Gift- und Bombenlabor ausgehoben wurde, liegt nur wenige Minuten von der Zentrale des Bundesamtes für Verfassungsschutz entfernt.
Sief Allah H. sei entschlossen gewesen, in Deutschland einen Anschlag zu begehen, heißt es in der Anklage. Er habe Kontakte zur Terrororganisation Islamischer Staat (IS) unterhalten. Sie soll ihn zu dem Anschlag ermuntert haben. Für die Sprengladung habe sich der 30-Jährige Feuerwerkskörper aus Polen besorgt.
Verteidiger kündigt wegen dünner Beweislage turbulenten ersten Prozesstag an
Zuvor habe er zwei Mal vergeblich versucht, zum IS nach Syrien auszureisen. Seine 13 Jahre ältere Frau habe ihn unterstützt, indem sie die Flüge und Unterkünfte gebucht habe, sagen die Ermittler. Ihr Ehemann war erst Ende 2016 via Familiennachzug nach Deutschland gekommen.
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250 Metallkugeln, zwei Flaschen mit Nagellackentferner, Drähte mit Glühbirnen und fast ein Kilogramm einer Schwarzpulver-Mischung - insgesamt 81 Gegenstände wurden in dem Hochhaus sichergestellt. Die mutmaßlichen Bombenbauer hatten sich laut Anklage zudem 3150 Rizinussamen besorgt und daraus 84,3 Milligramm des Gifts gewonnen. Weniger als ein Milligramm gilt bereits als tödlich für einen Menschen. Ein Gutachten ergab, dass ein Anschlag mit dieser Menge bis zu 100 Opfer gefordert hätte. Beiden Angeklagten drohen nun bis zu 15 Jahre Haft.
«Der Freitag wird turbulent», kündigte Verteidiger Alkan an, der den Tunesier vertritt. Die Beweislage sei an mehreren Stellen zudem «sehr, sehr dünn», sagt der Verteidiger: «Unter anderem die angebliche Probesprengung ist sehr weit hergeholt.» Sein Mandant habe sich zu den Vorwürfen bislang nicht geäußert. Dabei werde es im Prozess zunächst bleiben.
Erst nach und nach war übrigens Yasmin H. in den Blick der Ermittler geraten, die inzwischen überzeugt sind: Den Bau der Bio-Bombe plante das Paar gemeinsam. «Wir sehen keine Tatbeteiligung unserer Mandantin», teilte dagegen die Frankfurter Rechtsanwältin Seda Basay-Yildiz auf dpa-Anfrage mit. Sie vertritt die Ehefrau, die den Anklagevorwurf bestreite, sich aber zur Sache ebenfalls zunächst nicht äußern werde. Der Vorsitzende Richter Jan van Lessen hat bis Ende August zunächst 18 Verhandlungstage anberaumt. (dpa)