Düsseldorf. Wie können Städte minderjährigen Müttern aus Südosteuropa helfen? Gelsenkirchen fordert eine Antwort dazu vom Land NRW.
Gelsenkirchen fühlt sich mit seinen Problemen mit der Zuwanderung aus Südosteuropa vom Land NRW allein gelassen. Der in Kürze aus dem Amt scheidende Oberbürgermeister Frank Baranowski (SPD) beschuldigt NRW-Familienminister Joachim Stamp (FDP), sich nicht um das aus Gelsenkirchener Sicht dringende Problem minderjähriger, alleinstehender Mütter aus Rumänien und Bulgarien gekümmert zu haben.
Schon vor zwei Jahren habe er dies in der Staatskanzlei angesprochen, so Baranowski. Aber getan habe sich „gar nichts.“ Minister Stamp wunderte sich über die Kritik. NRW stelle Gelsenkirchen mit Blick auf die Armutszuwanderung viel Geld zur Verfügung.
„Massive Gefahr der Kindswohlgefährdung“
Ist es ein dringendes Problem? Ist es keins? 15 Geburten von minderjährigen Müttern aus Bulgarien und Rumänien zählte die Stadt Gelsenkirchen im Jahr 2019. In diesem Jahr sind es bisher 20 Geburten. Insgesamt leben in Gelsenkirchen derzeit rund 8700 bulgarische und rumänische Staatsbürger.
Oberbürgermeister Frank Baranowski (SPD) erkennt „massiv die Gefahr der Kindswohlgefährdung“ und will wenige Tage vor der Kommunalwahl von NRW-Familienminister Joachim Stamp (FDP) wissen, wie die Stadt mit diesen Müttern und ihren Kindern umgehen soll. Schon oft habe er den Minister in den vergangenen zwei Jahren darauf angesprochen. Aber der habe sich einfach nicht gekümmert, beschwert sich der Rathauschef.
Soll die Stadt diese Mütter aus den Familien nehmen?
Eine Stadtverwaltung komme „bei der Vielschichtigkeit des Problems und der hohen Zahl der Fälle schnell an ihre Grenzen“, stellt Baranowski fest. Und er hat Fragen: Soll die Stadt die minderjährigen Mütter und ihre Kinder aus den Familien nehmen? Soll sie gegen die mutmaßlichen Väter vorgehen, weil Geschlechtsverkehr mit Minderjährigen eine Straftat ist?
Andere Städte, in denen ebenfalls viele Südosteuropäer wohnen, wollten sich am Donnerstag nicht zu Problemen mit minderjährigen Müttern äußern oder sahen sich nicht in der Lage, kurzfristig Informationen dazu zu geben.
NRW stellt klar: Diese Entscheidungen treffen die Jugendämter
Familienminister Stamp wies die Vorwürfe zurück. „Ich bin über die Aussagen von Oberbürgermeister Baranowski sehr verwundert“, sagte er auf Nachfrage dieser Redaktion. Das Land NRW unterstütze Kommunen, die überdurchschnittlich viel Zuwanderung aus Südosteuropa erfahren, mit einem Förderprogramm. „Allein Gelsenkirchen erhält daraus bis 2022 jährlich 350.000 Euro“, so Stamp. Darüber habe er auch persönlich mit Baranowski gesprochen.
In die Entscheidung über mögliche Inobhutnahmen solcher Mütter mische sich das NRW-Familienministerium nicht ein, erklärte ein Sprecher. Das Ministerium habe keinen Einfluss auf die Jugendämter. Diese handelten völlig unabhängig.
Problem: Viele der jungen Mütter kennen ihre Rechte nicht
Gibt es also ein dringendes Problem mit minderjährigen Müttern aus Rumänien und Bulgarien im Ruhrgebiet? Man müsse das im Auge behalten, erklärt der Verein Solwodi in Duisburg, der Frauen in Notsituationen unterstützt. In der Regel kämen die Betroffenen nicht in die Beratungsstellen. Viele dieser Mädchen würden ihre Rechte nicht kennen.
Eva Bittner-Geier, Gesundheits- und Sozialexpertin bei der Caritas in Gelsenkirchen, sagte, es würden in den Beratungsstellen nur Einzelfälle sichtbar. Sie stimmt Baranowskis Kritik aber grundsätzlich zu. „Es gibt leider keine Erklärung, wie man mit den Betroffenen konkret umgehen soll.“ Um das Problem lösen zu können, müsste grundsätzlich die Rolle der Frauen in diesen Gemeinschaften gestärkt werden.