Düsseldorf. Ingo Wünsch wird Chef des Landeskriminalamtes. Es ist die Blitzkarriere eines Mannes, der den Kampf gegen Missbrauch in NRW neu organisiert hat.

Als vor eineinhalb Jahren der monströse Kindesmissbrauch auf einem Campingplatz im ostwestfälischen Lügde die Republik bewegte und Anzeichen von Behördenversagen nicht mehr zu übersehen waren, versammelte NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) die Polizeiführung des Landes zu einer Krisensitzung. Zwischen all den Spitzenkräften saß auch ein Mann aus dem Bauch des Landeskriminalamtes (LKA), den Reul persönlich nicht kannte und der für die Fachaufsicht der Kreispolizeibehörden zuständig war: Ingo Wünsch.

Dem Minister fiel sofort auf, wie scharfsinnig und eloquent der Praktiker aus dem Apparat die Probleme der Kriminalpolizei auffächerte, Lösungswege aufzeigte und dabei selbstbewusst, aber nicht wichtigtuerisch auftrat. Dem gelernten Studienrat Reul wird in Düsseldorf ein goldenes Händchen für gute Leute nachgesagt, weshalb er Wünsch vom Fleck weg verpflichtete.

Blitzkarriere eines Polizisten, der mit Streifenfahrten in Köln angefangen hat

Er machte ihn zunächst zu seinem „Sonderermittler“ in Sachen Kinderpornografie und zum Leiter einer neuen Stabsstelle „zur Revision der kriminalpolizeilichen Bearbeitung von sexuellem Missbrauch an Kindern und Kinderpornografie“. Am Freitag folgte nun die Berufung zum Chef des Landeskriminalamtes. „Seine herausragenden Fähigkeiten, analytisch und strukturell zu arbeiten, werden unser Landeskriminalamt weiter nach vorn bringen“, lobte Reul.

Wünsch wird Nachfolger von Frank Hoever, der als Polizeipräsident in seine Heimatstadt Bonn wechselt. Es ist eine Blitzkarriere, wie es sie bei der Polizei nur selten gibt. Der 54-jährige Wünsch hat noch die klassische Ochsentour hinter sich: Vom mittleren Dienst im Streifenwagen in Köln über kleinere Kripo-Dienststellen bis zum heute bundesweit geachteten Top-Kriminalisten. Wünsch hat seit Anfang 2019 maßgeblich dafür gesorgt, dass NRW inzwischen als führend gilt in der Verfolgung von Missbrauch und Kinderpornografie. Auf seinen Rat hin lässt Reul diese Delikte heute „wie Mord“ ermitteln, hat das LKA technisch aufgerüstet und die Kriminalpolizei im Land wie in einem virtuellen Großraumbüro neu organisiert.

Wenn Wünsch über Ermittlungsarbeit berichtet, kann es einen frösteln

Wenn Wünsch, der selbst Vater von drei erwachsenen Söhnen ist, mit ruhiger Stimme und ohne zusätzliche Dramatik die tägliche Arbeit der Missbrauchsermittler beschreibt, kann es einen frösteln. Wenn etwa ein Säugling missbraucht werde, suchten seine Kollegen Videos nach jedem Detail ab: „Welche Marke hat der Strampler?“Als LKA-Chef muss er künftig auch noch das technische und taktische Instrumentarium des Staates im Kampf gegen Clankriminalität, Cybercrime, Rechtsterrorismus oder Islamisten schärfen. Wünsch sagt: „Auf diese Herausforderung freue ich mich.“