Essen. Viele Schulabgänger bewerben sich jetzt um einen Studienplatz zum Wintersemester. Doch einen normalen Studienbetrieb dürfen sie nicht erwarten.

Für Tausende Schulabgänger beginnt in diesen Tagen die Bewerbungsphase für einen Studienplatz. Damit stehen sie nach einem von der Corona-Krise geprägten letzten Schuljahr vor der nächsten Herausforderung. Wie soll das gehen – ein Studienstart in ein vermutlich wieder virtuelles Semester? Die Hochschulen haben die Probleme der Erstsemester im Blick und bieten vielfältige Hilfsangebote an.

So war es im Sommersemester: Studierende, die auf Bildschirme starren, in Videokonferenzen diskutierten und ihre Kommilitonen oder den Professor nur im Chat sprechen konnten. Das Studium fand wegen der Gesundheitsrisiken fast ausschließlich im Internet statt – und einiges spricht dafür, dass auch das kommende Wintersemester ähnlich ablaufen wird.

Große Vorlesungen bleiben tabu

Denn die Hochschulen wollen das Infektionsrisiko so gering wie möglich halten. Einführungsvorlesungen mit tausend und mehr Personen in einem Hörsaal sind vorerst ausgeschlossen. Allerdings sollen in kleinerem Rahmen Präsenzveranstaltungen stattfinden – sofern es die Lage zulässt.

Vor allem für die in NRW erwarteten rund 100.000 Erstsemester ist die Situation problematisch. Schon fordern Initiativen von Abiturienten und Studierenden in einigen Hochschulstädten, dass Seminare und Tutorien wieder in Präsenzform stattfinden sollen. Viele haben Angst davor, sich im Unibetrieb nicht zurechtzufinden und den Anschluss zu verlieren.

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Trotz aller digitalen Fähigkeiten ist den Studierenden der persönliche Austausch besonders wichtig. Dies ergab eine Umfrage der Uni Duisburg-Essen während des Digitalsemesters. „Es ist schwierig, sich für das Lernen zu motivieren, wenn das ganze Leben quasi in einem Zimmer abläuft“, sagte ein Student. „Der Lerneffekt geht gegen null, weil keine Beratung angeboten wird, die Theorie nicht mit Praxisbeispielen untermalt wird und ein Austausch nicht möglich ist“, schrieb ein anderer.

Computer ist kein Ersatz für persönliche Gespräche

Viele vermissen den direkten Kontakt mit ihren Kommilitonen und Dozenten. Der Computer ist dafür nur teilweise ein Ersatz: Jeder zweite Befragte äußerte die Meinung, dass der persönliche Austausch über den Bildschirm kaum gelingt. Zudem konnten sich offenbar auch viele Dozenten nicht so schnell auf eine rein digitale Lehre umstellen. In einigen Veranstaltungen würde nur das Skript hochgeladen ohne jegliche Erklärung, „da fällt es mir deutlich schwerer, die Inhalte aufzunehmen“, klagte ein Student.

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Während das NRW-Wissenschaftsministerium den Ablauf des ersten reinen Online-Semesters in der Geschichte des Landes lobt und allen Beteiligten für ihr Engagement dankt, sehen die Experten des Centrums für Hochschulentwicklung (CHE) noch Verbesserungsbedarf. Zwar habe die Pandemie zu einem Digitalisierungsschub geführt, doch müsse Aufarbeitung und Präsentation der Inhalte gezielter auf die Bedürfnisse der Studierenden abgestimmt werden.

Es fehlt an technischem Personal

Auch bei der Frage, wie Prüfungen digital ablaufen können, gebe es noch offene Fragen. An der Mehrheit der Hochschulen fehle es an Personal für die technische Unterstützung. Zudem verfügten nicht alle Studierenden über die nötige technische Ausstattung. Aufgrund dieser Erkenntnis richtet die Uni Duisburg-Essen ein Leihgeräte-Service für Laptops ein, „um vor allem bedürftige Studierende“ zu unterstützen.

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Die Erfahrungen des letzten Semesters wollen die Hochschulen nun für die Planung des kommenden nutzen. So viel Infektionsschutz wie nötig, so viel Präsenz wie möglich, lautet die Formel. „Es wird eine Herausforderung sein, ein sinnvolles Semester mit Präsenz und digitalen Anteilen zu organisieren“, sagte Ulrich Radtke, Rektor der Uni Duisburg-Essen (UDE) und Vizepräsident der Hochschul-Rektorenkonferenz.

Eigeninitiative wichtiger denn je

Derzeit erarbeiten alle Fakultäten Pläne, welche Veranstaltungen in Präsenzform stattfinden können. „Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf den Bedürfnissen der Erstsemester“, sagt UDE-Studienberater Jörn Sickelmann. Wie melde ich mich für Veranstaltungen an, wie mache ich einen Stundenplan, welche Online-Tools benötige ich? Mit solchen Fragen würden er und sein Team derzeit bestürmt.

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Sein Rat an alle Studieneinsteiger: „Fragen, fragen, fragen!“ Eigeninitiative sei in Corona-Zeiten mehr denn je nötig. Zudem sollten sie sich regelmäßig auf den Erstsemester-Portalen der Hochschulen informieren, die Vorkurse wahrnehmen und unbedingt die Einführungsveranstaltungen besuchen. „Resignieren und abtauchen ist keine Alternative“, so Sickelmann.

>>>> Termine und Fristen

Das Ende der Bewerbungsfrist für zulassungsbeschränkte Studienfächer (Orts-NC) wurde vom 15. Juli auf den 20. August verlegt. Der Vorlesungsbetrieb beginnt im Wintersemester 2020/2021 statt Anfang Oktober erst am 2. November.

Die Orientierungswochen für Studienbeginner finden in der letzten Oktoberwoche statt. Wichtige Ansprechpartner bei allen Fragen rund ums Studium sind die Studienberatungen der Hochschulen. Sie erklären auch den Umgang mit Video-Plattformen wie Zoom. Eine Übersicht findet sich unter: zsb-in-nrw.de