Gelsenkirchen. Brustkrebszentren erhalten keinen Zuschlag der Krankenkassen mehr. Die Evangelischen Kliniken in Gelsenkirchen stellt das vor große Probleme.

Das Brustzentrum Ruhrgebiet der Evangelischen Kliniken Gelsenkirchen steht als Anlaufstelle für Patientinnen aus der gesamten Region vor unruhigen Zeiten: Weil sich die Finanzierung von klinischen Spitzenzentren auf Bundesebene geändert hat, werden die Fachleute in Gelsenkirchen für ihre über Jahre ausgebildete Expertise nicht länger besonders bezuschusst.

Das Haus beklagt eine jährliche Lücke von einer halben Million Euro, die nur schwierig zu kompensieren sei, so Klinik-Chef Olaf Walter. „Wir werden an der Qualität unserer Versorgung nichts ändern“, sagt Walter mit Blick auf rund 7000 Patientinnen im Jahr. Das gehe aber nicht ohne Defizit für die gesamten Kliniken. „Wir kämpfen auf politischer und rechtlicher Ebene für den Erhalt des Zentrums.“

Neue Bundesregel beendet Sonderweg zur Versorgung von Brustkrebspatientinnen

NRW ist das einzige Bundesland, in dem Brustkrebszentren einen Zuschlag der Krankenkassen für besondere Ausgaben erhalten. Sie müssen sich dazu aufwendig alle drei Jahre bei der Ärztekammer-Westfalen-Lippe zertifizieren lassen. Dieser 2002 begangene Sonderweg scheint nun beendet: Der Gemeinsame Bundesausschuss, das höchste Gremium der Selbstverwaltung im Gesundheitswesen, hat 2019 erstmals bundesweit einheitliche Kriterien für klinische Spitzenzentren beschlossen. Demnach sollen Krebszentren ab April 2021 nur dann einen Kassenzuschlag erhalten, wenn sie mindestens drei verschiedene Tumorarten behandeln.

Fordern Sicherheit für die Versorgung von Krebspatientinnen in NRW: Olaf Walter (Ev. Kliniken Gelsenkirchen), Barbara Kols-Teichmann (Förderverein), Luidger Wolterhoff (Gelsenkirchens Sozialdezernent), Landtagsabgeordnete Heike Gebhard (SPD) und Abdallah Abdallah, Leiter des Brustkrebszentrums Ruhrgebiet.
Fordern Sicherheit für die Versorgung von Krebspatientinnen in NRW: Olaf Walter (Ev. Kliniken Gelsenkirchen), Barbara Kols-Teichmann (Förderverein), Luidger Wolterhoff (Gelsenkirchens Sozialdezernent), Landtagsabgeordnete Heike Gebhard (SPD) und Abdallah Abdallah, Leiter des Brustkrebszentrums Ruhrgebiet. © Funke Foto Services | MATTHIAS GRABEN

Eigenständige Brustkrebszentren erhalten keine Kassengelder mehr. Etwa 20 der rund 50 Brustkrebszentren in NRW sollen von den Kürzungen betroffen sein - darunter das Zentrum Ruhrgebiet, nach eigenen Angaben eines der größten im Bundesland.

Leiter des Brustkrebszentrums Ruhrgebiet sieht langjährige Arbeit nicht gewürdigt

Das sei wie ein Schlag ins Gesicht, sagt der Gynäkologe und langjährige Zentrumsleiter Abdallah Abdallah. „Wir haben hier über Jahre Strukturen für eine Versorgung von sehr hoher Qualität etabliert und alle neuen und steigenden Anforderungen immer wieder erfüllt“, sagt der Chefarzt. Im zuletzt 2019 zertifizierten Zentrum arbeite ein spezialisiertes Team, das mit jährlich über 500 Erstdiagnosen Brustkrebs eine hohen Durchlauf von Patientinnen habe und eng mit anderen Bereichen des Klinikums verzahnt sei. Es nehme an internationalen Studien teil, mache Fortbildungen, habe ein eigenes Management und externe Qualitätssicherer. Die Tatsache, dass drei Viertel der Patientinnen aus der gesamten Region kämen, sei ein Anzeichen für die Anerkennung dieser Arbeit.

Sieben Fall-Manager begleiteten die Patientinnen zudem von Anfang an, ergänzt Barbara Kols-Teichmann, selbst 2004 an Brustkrebs erkrankt. „Hier ist man trotz der vielen Patientinnen keine Nummer, das ist unser Zentrum“, meint die Dortmunderin. Kols-Teichmann sitzt dem Förderverein des Brustzentrums vor, der mit seinen Angeboten bis zu 2500 Frauen und ihre Familien im Jahr erreicht und so das größte deutsche Beratungszentrum seiner Art geschaffen hat. „Wir sprechen als Betroffene mit den Ärzten darüber, was im Zentrum besser und anders gemacht werden kann“, sagt Kols-Teichmann. „Wo gibt es so etwas?“

SPD-Landtagsabgeordnete Heike Gebhard: NRW muss eine Lösung finden

Für Gelsenkirchen und das Ruhrgebiet sei das Brustzentrum Ruhrgebiet ein Leuchtturm, unterstreicht der Gelsenkirchener Sozialdezernent Luidger Wolterhoff. „Für die Menschen der Stadt und der Region wäre es eine Katastrophe, wenn diese Versorgungsstrukturen verlagert werde müssten“, so Wolterhoff. „Die Qualität hier ist sehr gut und sie wird an einem anderen Ort nicht besser.“ Nötig sei eine politische Lösung.

Dr. Abdullah Abdullah, Leiter des Brustzentrums Ruhrgebiet und Chefarzt der Klinik für Senologie an den Evangelischen Kliniken Gelsenkirchen.
Dr. Abdullah Abdullah, Leiter des Brustzentrums Ruhrgebiet und Chefarzt der Klinik für Senologie an den Evangelischen Kliniken Gelsenkirchen. © FUNKE Foto Services | MATTHIAS GRABEN

Untersützung bekommt er von Heike Gebhard (SPD): Die Vorsitzende des Gesundheitsausschusses im NRW-Landtag fordert die schwarz-gelbe Landesregierung angesichts der drohenden Einbußen auf, sich für eine weitere Finanzierung der Brustkrebszentren einzusetzen. „Wir haben in NRW eine leistungsfähige Struktur geschaffen, die wir zum Wohle der Frauen nicht aufs Spiel setzen dürfen“, warnt Gebhard eindringlich. Sollte der Zentrumszuschlag nicht weitergezahlt werden können, müsse ein anderer Weg gefunden werden.

Kassen zahlen schon jetzt nicht mehr: Kliniken gehen rechtlich dagegen vor

Olaf Walter, Geschäftsführer der Evangelischen Kliniken, geht bereits einen Schritt weiter: Obwohl die neuen Bundes-Kriterien zur Förderung von klinische Krebszentren erst im April 2021 umgesetzt werden sollen, haben die Krankenkassen laut Walter bereits 2019 ihren Zuschuss ans Brustzentrum Ruhrgebiet eingestellt. Die Evangelischen Kliniken Gelsenkirchen haben eine Schiedsstelle angerufen und prüfen nun, ob sie auch gegen den Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses vorgehen wollen.