Essen. In NRW sind so viele Corona-Neuinfektionen gemeldet worden wie lange nicht. Das Gesundheitsministerium blickt besonders aufs Ruhrgebiet
- Mehrere Ruhrgebietsstädte liegen bei der Zahl der Corona-Neuinfektionen vorne.
- Am Niederrhein ist die Situation etwas entspannter.
- Virologen des Universitätsklinikums Essen sehen dennoch keinen Grund zur Panik.
Das NRW-Gesundheitsministerium sorgt sich offenbar um die Entwicklung der Corona-Infektionen im Ruhrgebiet. Zwar gebe es derzeit keinen Corona-Hotspot in NRW, erklärte das Ministerium gegenüber dieser Redaktion. „Gleichzeitig stellen wir bei der Lokalisierung der Neuinfektionen aber eine Verschiebung des Infektionsgeschehens auf das Ruhrgebiet fest.“
Zu den Städten und Kreise mit den höchsten Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner in der vergangenen Woche gehören demnach Mülheim , Bochum und Duisburg , aber auch Hagen , Oberhausen und Essen. In der Stadt hat sich die Zahl der Neuinfektionen innerhalb der vergangenen Woche von 44 auf 99 sogar mehr als verdoppelt.
Corona in NRW: Ruhrgebiet im Fokus, unauffällige Lage am Niederrhein
Entspannter die Lage am Niederrhein: Der Kreis Kleve verzeichnete in den vergangenen zwei Wochen lediglich zwölf Neuinfektionen. „Ungeachtet dessen bleiben wir selbstverständlich sehr aufmerksam“, so Kreissprecherin Ruth Keuken. Mit einem aktuellen Sieben-Tage-Wert von 2,2 sei die Entwicklung der Corona-Fälle weiterhin unauffällig. „Wir hatten auch zwischenzeitlich schon eine Inzidenz von null“, sagt Keuken.
Auch im Kreis Wesel befindet sich die Zahl der Neuinfektionen – mit Ausnahme des Ausbruchs in einem Moerser Dönerbetrieb – auf einem anhaltend niedrigen Niveau. Die Sieben-Tage-Inzidenz liegt derzeit bei 3,7. In den vergangenen zwei Wochen gab es maximal sechs neue Corona-Fälle pro Tag.
Alle NRW-Kommunen unter der 20er-Marke
In Düsseldorf, wo die Inzidenz bis vor einigen Wochen noch über dem Wert 20 lag, hat sich die Situation ebenfalls entspannt. „Wir haben wieder sinkende Zahlen“, sagt Stadtsprecher Michael Bergmann. „Das hängt sicherlich damit zusammen, dass die Schulen und Kitas derzeit geschlossen sind.“ Die derzeitige Sieben-Tage-Inzidenz von 7,1 sei aber kein Grund, das Virus auf die leichte Schulter zu nehmen. „Das kann sich mit den Urlaubsrückkehrern theoretisch sofort wieder ändern“, warnt Bergmann. „Wir hören auch aus anderen Städten, dass Urlaubsrückkehrer Infektionen mitbringen.“
Das Ministerium erklärte, die Entwicklung des Infektionsgeschehens im Land weiterhin sehr aufmerksam zu beobachten. Oberstes Ziel bleibe, einen Eintrag in die breite Bevölkerung zu verhindern. Derzeit lägen aber alle NRW-Kommunen unter der Marke von 20 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner in einer Woche.
Mehr als 40 Prozent der Neuinfektionen in NRW
Insgesamt ist die Zahl der Corona-Neuinfektionen in Deutschland und NRW gestiegen. Nach Angaben des Robert-Koch-Instituts haben die NRW-Gesundheitsämter am Freitag 341 neue Fälle gemeldet. Das entsprach mehr als 40 Prozent der Neuinfektionen in Deutschland und ist der höchste Wert seit Anfang Mai – abgesehen vom Ausbruch im Tönnies-Schlachtbetrieb in Rheda-Wiedenbrück.
Das Robert-Koch-Institut zählt damit 46.956 Infektionen in NRW. Davon gelten 43.000 Patienten als genesen. NRW hat im Verhältnis zur Einwohnerzahl derzeit die höchste Anzahl von Positivtests. Im Ruhrgebiet gibt es bisher 11.262 Infektionsfälle. Vor einem Monat waren es laut Landesstatistik noch rund 1800 weniger.
Virologe: Kein Grund zur Panik, aber Vorsicht geboten
Virologen des Universitätsklinikums Essen sehen dennoch keinen Grund zur Panik. „Die Anzahl der Neuinfektionen ist insgesamt bisher nicht vergleichbar mit der ersten Welle“, sagt Mirko Trilling vom Institut für Virologie. Vielmehr seien die Infektionszahlen trotz des Corona-Ausbruchs bei Tönnies auf einem stabilen Niveau. Das sei ein Signal dafür, „wie gut die Städte und Ämter inzwischen ein Infektionsgeschehen managen und eindämmen können“.
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Entwarnung gibt der Virologe deshalb aber nicht: „Wir alle müssen den Entwicklungen weiter mit Respekt begegnen und uns an die Schutzmaßnahmen zur Eindämmung der Pandemie halten.“ Trilling unterstreicht, dass sich jede einzelne Infektion zu einem Hotspot entwickeln könne, wenn sie unerkannt bleibt und Regel zu Abstand, Hygiene und Atemschutz nicht eingehalten würden. Sorge bereite ihm die anstehende Herbst- und Winterzeit: „Der Sommer hat uns bei der Eindämmung des Virus sehr geholfen. Wenn wir uns wieder mehr drinnen aufhalten und es kälter wird, müssen wir besonders aufmerksam sein.“
Unternehmer warnen vor Folgen einer zweiten Infektionswelle
Unternehmen blicken mit Sorge auf die Entwicklung. In einer aktuellen Umfrage des Handelsverbandes NRW erklärte jeder sechste Einzelhändler, dass noch immer die große Gefahr einer Geschäftsschließung bestehe. Eine Sprecherin des Verbandes sagte, eine zweite Infektionswelle wäre der Sargnagel für viele Einzelhändler. Gegenüber dieser Redaktion warnte der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach vor einer zweiten Welle.
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Und auch das RKI schlägt angesichts der jüngsten Fallzahlen einen mahnenden Ton an: Die Entwicklung sei „sehr beunruhigend“ und werde „weiter sehr genau beobachtet“. Fürs RKI steht fest: „Eine weitere Verschärfung der Situation muss unbedingt vermieden werden. Das gelingt nur, wenn sich die gesamte Bevölkerung weiterhin engagiert.“ (mit def)
Fallzahlen: So ist die Lage der Corona-Infektionen im Sauer- und Siegerland.