Düsseldorf. Hans Peter Doskozil gewinnt Wahlen mit sozialen Wohltaten, bedient aber auch Rechtsaußen. Der österreichische Landeshauptmann war Gast der SPD.

Es lief zuletzt schlecht für die SPD in NRW: 2017 verlor sie die Landtagswahl; laut einer Umfrage von Infratest dimap lag sie im Juni 2020 landesweit nur noch bei 20 Prozent. Der Abwärtstrend der Sozialdemokratie ist aber offenbar kein Naturgesetz. In dieser Woche hatte die NRW-SPD einen Gast, der im Januar eine Landtagswahl grandios gewann: Hans Peter Doskozil (50), Landeshauptmann im österreichischen Burgenland, erreichte im Januar knapp 50 Prozent der Stimmen, obwohl die Sozialdemokraten in Österreich ähnlich leiden wie die in Deutschland. Kann die SPD von diesem Mann das Siegen lernen?

Rentner sollten nicht mehr schuften müssen

Wenn der frühere österreichische Verteidigungsminister und heutige Ministerpräsident (Landeshauptmann) Hans Peter Doskozil nach Deutschland reist, trifft er häufig Menschen, deren Schicksal ihn berührt. „Ab und zu fahre ich aus privaten Gründen in Baden-Württemberg mit dem Taxi, und es kommt oft vor, dass dann ein 70- oder 75-Jähriger am Steuer sitzt. Vor ein paar Jahren war ich mit meinem Sohn im Phantasialand und habe dort zum ersten Mal gesehen, dass Pensionisten die Reinigungsdienste machen“, erzählt der Burgenländer. Menschen in fortgeschrittenen Alter sollten aber nicht mehr so schuften müssen, findet er.

Doskozil ist eine imposante Erscheinung: kräftig, Drei-Tage-Bart, Ex-Polizist und früherer Landespolizeidirektor. Von einer starren Frauenquote in der Politik hält er nichts. Der Mann ist ein Gegenentwurf zur großstädtischen und feinfühligen SPÖ-Bundesvorsitzenden Pamela Rendi-Wagner. Und zuletzt viel erfolgreicher. Der „entscheidende Faktor“ für Wahlsiege sei dieser, sagt er: „Nicht den Menschen erzählen, wenn ihr mich wählt, dann bekommt ihr dieses oder jenes. Sondern erst die guten Taten und dann die Einladung an die Wähler, mich zu wählen.“

1700 Euro Mindestlohn und Jobs für pflegende Angehörige

Mit sozialen Wohltaten hat Doskozil die Bevölkerung im kleinen Burgenland verwöhnt. Landesbeschäftigte und die von Unternehmen, an denen das Land Beteiligungen hat, bekommen einen Mindestlohn von 1700 Euro netto. Aufträge will das Land nur noch an Firmen vergeben, die ebenfalls dieses Mindestlohn zahlen. Aus deutscher Sicht noch ungewöhnlicher: Menschen, die daheim einen Angehörigen pflegen, können sich bei einer Landesgesellschaft anstellen lassen, erhalten dafür Lohn und Beiträge zur Rentenversicherung. Dazu kommen Gratis-Kitas und eine mit Fördergeld abgefederte „Bio-Wende“ in der Landwirtschaft. Österreichische Senioren sind im Vergleich zu denen in Deutschland ohnehin mit besseren Renten abgesichert.

Ein starker Sozialstaat, der sich nicht auf neoliberale Experimente einlässt, wie einst Gerhard Schröder und Tony Blair – das beeindruckt Sebastian Hartmann, Vorsitzender der NRW-SPD. „Die Sozialpolitik ist der Schlüssel. Wer arbeitet, der muss davon gut leben können“, sagt Hartmann im Gespräch mit Doskozil. „Wenn die Menschen sehen, dass wir dafür kämpfen, dann werden sie die SPD wählen.“ Das Burgenland mache vor, dass Wähler eine konsequente Sozialpolitik honorierten.

Umstrittenes Bündnis mit der rechtspopulistischen FPÖ

Zur Wahrheit gehört aber auch, dass Doskozil eine Linie fährt, die für die deutsche Sozialdemokratie Teufelszeug ist. Die SPÖ im Burgenland hat, bevor sie die absolute Mehrheit erreichte, mit der rechtspopulistischen FPÖ koaliert. Solche Bündnisse sind auch unter Sozialdemokraten in Österreich extrem umstritten.

Seine Koalitionspartner seien „mitnichten rechtsradikal“ gewesen, versichert Doskozil. Der Burgenländer ist für konsequente Abschiebungen von abgelehnten Asylbewerbern, und wehrt sich gegen ein Asylzentrum, das die Bundesregierung in Wien für sein Land plant. Der „normale Mensch“ kapiere nicht, wenn jemand kein Bleiberecht habe und dennoch bleibe. Mit einer ähnlichen Strategie – soziale Angebote und harte Flüchtlingspolitik – hatten auch Sozialdemokraten in Dänemark Erfolg.

NRW-SPD-Chef Hartmann lässt sich überraschenderweise auf das brisante Thema ein. „Der, der einen Anspruch auf Asyl hat, muss ihn auch bekommen. Aber wenn es keinen Asylgrund gibt und eine Rückführung nicht mit Gefahren für den Betroffenen verbunden ist, dann ist auch kein Aufenthaltsgrund da“, sagt er.

Hartmann: "Recht, Regeln und Ordnung müssen für alle gelten"

Am Ende des Tages könne die Flüchtlingsproblematik nicht allein nationalstaatlich gelöst werden. Hartmann: „Wir Deutsche hatten für unsere asylpolitische Position keine Mehrheit in Europa. Wenn wir ein europäisches Asylsystem ernst nehmen, dann muss es mit den Mitgliedsstaaten abgestimmt sein.“ Er fürchte diese Debatten nicht. „Die Wähler der SPD haben eine Erwartungshaltung. Dass Recht, Regeln und Ordnung für alle gelten. Das darf man nicht auf Migrationsfragen reduzieren. Die Menschen sind zu Recht sauer, wenn ein Banker meint, er müsse keine Steuern zahlen, oder ein Fleischfabrikant und Milliardär meint, er kann sich alles rausnehmen.“

Hans Peter Doskozil fährt in diesen Tagen mit einer kleinen Delegation und einem Wahlerfolgs-Rezept im Gepäck durch Deutschland, spricht mit Parteifreunden in Berlin, Düsseldorf und Stuttgart. Das Interesse sei groß, freuen sich die Österreicher. Für Sieger aus den eigenen Reihen stehen die Türen der SPD weit offen.

Zur Person:

Hans Peter Doskozil, geboren 1970 in der Steiermark, studierte Jura und arbeitete in verschiedenen Polizeibehörden. Während der Flüchtlingskrise 2015 war Doszozil Landespolizeidirektor im Burgenland, das an der Grenze zu Ungarn liegt. 2016 trat er als Verteidigungsminister in die Bundesregierung ein. 2018 wurde er Chef der SPÖ Burgenland, 2019 Landeshauptmann.

Die Koalition mit der rechten FPÖ brachte ihm in seiner Partei viel Kritik ein. Doskozil ist geschieden und hat zwei Kinder. Seine Freundin Julia Jurtschak stammt aus Baden-Württemberg. Doskozil wollte sie zur Sozialreferentin des Landes machen. Jurtschak verzichtete nach öffentlichen Protesten auf diesen Posten.​