Essen. Offenbar aus Rücksicht auf die Corona-Entwicklung sollen Nahverkehrstickets im Ruhrgebiet im Januar nicht wie üblich teurer werden.
Bus- und Bahntickets im Ruhrgebiet sollen erstmals seit vielen Jahren nicht wie sonst üblich ab Januar teurer werden. Offenbar aus Rücksicht auf die Corona-Entwicklung im Nahverkehr mit deutlich zurückgegangen Fahrgastzahlen will der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) auf den zum Jahresauftakt turnusmäßigen Dreh an der Preisschraube verzichten. Das erfuhr die WAZ aus Kreisen der Verkehrsbetriebe der Region.
Nur Mehrwertsteuer soll angepasst werden
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„Der VRR und seine Mitgliedsunternehmen geben jetzt die Mehrwertsteuersenkungen eins zu eins an die Kunden weiter“, sagte der Verkehrsvorstand der Dortmunder Stadtwerke, Hubert Jung, im Gespräch mit der WAZ. Sollte es bei der Befristung der Mehrwertsteuerabsenkung zum 31. Dezember bleiben, würden die Ticketpreise im Januar zwar wieder entsprechend angepasst. „Für eine darüber hinaus gehende Preiserhöhung kann ich im VRR derzeit keine Bereitschaft erkennen“, betonte Jung.
Jährliche Preissteigerung seit Langem umstritten
Auch in den Chefetagen andere Verkehrsbetriebe des Ruhrgebiets sieht man eine Anhebung der Ticketpreise wie sonst üblich zum Januar nicht kommen. Vordringliches Ziel sei, das Vertrauen der Kunden wieder zurückzugewinnen. Eine Preisanpassung im späteren Verlauf des kommenden Jahres könne indes „nicht generell ausgeschlossen werden“.
Anfang 2020 stiegen die Ticketpreis um durchschnittlich 1,8 Prozent
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Die jährlichen Preissteigerungen bei den VRR-Tickets sind seit Langem umstritten. Trotz der Debatten über eine stärkere Rolle des ÖPNV zur Lösung von Verkehr- und Umweltproblemen werden Bahn- und Bus-Fahrten im Ruhrgebiet seit Jahren immer teurer. Die Aufschläge stiegen dabei meist deutlich schneller als die allgemeinen Lebenshaltungskosten. Im vergangenen Sommer hatte der VRR auf Druck seiner politischen Gremien einen Beschluss zur Preiserhöhung für 2020 zunächst gestoppt. Am Ende kam es zu einer vergleichsweise moderaten Anhebung vor allem für Dauerkartenbesitzer.
Hohe Verluste durch Corona
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Die Corona-Krise hat den Nahverkehr allerdings vor völlig unerwartete Herausforderungen gestellt. Fahrgäste und Ticketeinnahmen brachen infolge des Lockdowns und der Angst vor möglichen Infektionen in vollen Bahnen und Bussen dramatisch ein. Allein die Bogestra rechnet zum Jahresende mit einem corona-bedingten Verlusten von bis 40 Millionen Euro. In Dortmund droht ein Minus von bis zu zwölf Millionen. Die Ruhrbahn (Essen/Mülheim) erwartet ein Loch von 15 Millionen Euro in der Kasse. Die Verluste in diesem Jahr werden aber durch die Hilfspakete von Land und Bund zu 90 Prozent ausgeglichen. „Insofern hoffe ich, dass wir in diesem Jahr quasi mit einem blauen Auge davonkommen“, sagte Dortmunds Verkehrschef Jung.
Sorgen um Entwicklung im kommenden Jahr
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Sorgen bereitet den ÖPNV-Betrieben aber die Entwicklung im nächsten Jahr. „Wenn die Pandemie anhält, müssen wir uns sicher auch 2021 auf eine Durststrecke einstellen“, sagte Jung. Er rechnet derzeit nicht damit, dass es dann nochmals ein Hilfspaket in der Größenordnung wie in diesem Jahr geben wird. Gleichwohl dürfen man wegen Corona keinesfalls die Klimaziele aus den Augen verlieren. „Wenn wir weg kommen wollen von den Verbrennern und der ÖPNV eine tragende Rolle in der Verkehrswende spielen soll, dann brauchen wir ohnehin zusätzliche Investitionen in neue Technologien und in den Streckenausbau“, betonte Jung. Als Beispiel nannte Dortmunds Nahverkehrschef den Ausbau der Dortmunder Stadtbahn auf dem inzwischen zu einem zentralen Gewerbestandort entwickelten Gelände der ehemaligen Westfalenhütte. Allein diese Streckenverlängerung werde rund 40 Millionen Euro verschlingen.
Auch Ruhrbahn-Chef Michael Feller mahnte weitere Anstrengungen im Sinne der Verkehrswende an. Der ÖPNV müsse attraktiv bleiben. Das Thema Klimaschutz habe sich ja durch Corona nicht in Luft aufgelöst, so Feller.