Düsseldorf. Der “Sumpf“ wird immer tiefer, der Ruf nach besseren Fahndung-Möglichkeiten immer lauter. Steht der Datenschutz womöglich über dem Kinderschutz?

Nach Bekanntwerden der riesigen Zahl von 30.000 Täterspuren allein im Kindesmissbrauchs-Komplex Bergisch-Gladbach und neuen Festnahmen nach den Taten in Münster wird der Ruf nach einem leichteren Daten-Zugriff für Ermittler immer lauter. NRW-Justizminister Peter Biesenbach (CDU) sprach von einem „tiefen Sumpf“, dessen Ausmaß ihn überrascht habe. Sowohl Biesenbach als auch NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) fordern daher, die Möglichkeiten der Vorratsdatenspeicherung auszuweiten, um Täter schneller überführen zu können.

„Man muss sich entscheiden: Machen wir ernst beim Thema Kindesmissbrauch oder betonen wir den Datenschutz, der derzeit den Missbrauch begünstigt“, sagte Biesenbach. Er plädiert für „innovative Lösungen“. Zunächst will der Minister ein Gutachten in Auftrag geben, das klären soll, was heute schon in Sachen Datenspeicherung in Deutschland rechtlich möglich ist.

"Täter tummeln sich bisher im sicheren Raum ohne Entdeckungsrisiko"

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) in NRW hat dazu eine klare Haltung: „Die Frage ist: Steht der Datenschutz über dem Kinderschutz, oder ist er sogar Täterschutz? Wir müssen offen über dieses Thema sprechen“, sagte Michael Mertens, GdP-Landesvorsitzender, dieser Redaktion.

Bei der Vorratsdatenspeicherung gehe es nicht darum, dass sich die Polizei einen Datenvorrat anlege, sondern darum, Provider zu verpflichten, Daten für ein halbes Jahr zurück zu halten, so Mertens. Die Polizei brauche dringend mehr Online-Rechte für die Suche nach Menschen, die Kinder missbrauchen. „Wenn sie diese Rechte nicht bekommt, dann tummeln sich die Täter in einem sehr sicheren Raum ohne Entdeckungsrisiko."

Grünen-Landeschef Banaszak warnt vor verkürzter Debatte

Grünen-Ko-Landesvorsitzender Felix Banaszak warnte indes vor Schnellschüssen. „Kinderschutz gegen Datenschutz ist eine unseriöse Verkürzung der Debatte“, sagte er dieser Redaktion. In der Sache seien sich die Parteien aber einig. Der Kampf gegen Kindesmissbrauch müsse intensiviert werden.

Im Missbrauchskomplex Münster wurden am Dienstag nach Polizeieinsätzen in NRW, Niedersachsen, Hessen und Schleswig-Holstein drei weitere Tatverdächtige dem Haftrichter vorgeführt, drei weitere seien identifiziert worden, sagte NRW-Innenminister Herbert Reul in einer Sondersitzung mehrerer Landtags-Ausschüsse. Damit steige die Zahl der Verdächtigen auf 21, zehn davon seien in Haft, so Reul.

Laschet: "Es werden weitere Fälle sichtbar werden"

Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) rechnet damit, dass in NRW noch viele weitere Missbrauchsfälle sichtbar werden: „In NRW wird genau hingeschaut. Es kann daher sein, dass hier Fälle auftauchen, die in anderen Ländern noch im Dunkelfeld sind.“