Essen. Wegen des Corona-Virus sind Bäder in NRW nur begrenzt offen. Rettungsschwimmer warnen vor Unglücken in Seen, Vereine vor Folgen für Kinder.
Rettungsschwimmer und Schwimmvereine blicken mit Sorge auf die Folgen der Corona-Beschränkungen. Weil Freibäder zum Schutz vor Infektionen deutlich weniger Besucher zulassen dürfen, tummelten sich schon vor dem jetzigen Ferienstart viel mehr Menschen an Seen, Flüssen und Kanälen als im vergangenen Sommer, beobachtet die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) NRW.
„Damit steigt das Risiko, dass es zu Unfällen und Unglücken kommt“, warnt DLRG-Sprecher Michael Grohe. Je mehr Menschen sich in Freigewässern aufhalten, umso größer sei auch die Gefahr, dass Notfälle nicht erkannt werden. Ertrinkende könnten nicht laut auf sich aufmerksam machen: „Ertrinken ist ein stiller Vorgang.“
Männer überschätzen sich im Wasser besonders häufig
Grohe warnt eindringlich davor, in ungesicherten Badestellen zu baden. Strömungen in Flüssen, Sogwirkungen durch Schiffsverkehr in Kanälen oder plötzliche Temperaturunterschiede in Baggerseen könnten lebensgefährlich sein. Oft schätzen Schwimmer zudem Entfernungen und die eigene Leistungsfähigkeit falsch ein. „Männer mittleren Alters fallen da besonders oft auf, sie überschätzen häufiger ihre eigenen Kräfte“, sagt Grohe. „Kommen Alkoholgenuss und Sonne dazu, wird das ganz leicht lebensgefährlich.“
Im vergangenen Jahr ertranken bundesweit mindestens 417 Menschen - mehr als 80 Prozent davon waren Männer. In NRW sind 65 Menschen zumeist in Flüssen und Teichen ertrunken, Unfallschwerpunkt ist der Rhein. Die Bundespolizei NRW richtet sich mit Beginn der Ferien explizit an Schwimmer im Ruhrgebiet: Die Behörde warnt davor, von Eisenbahnbrücken etwa in den Rhein-Herne-Kanal zu springen. Das sei verboten und lebensgefährlich.
Wegen Corona: 20.000 Kinder warten vergebens auf Schwimmkurs
Der Schwimmverband NRW sorgt sich um die Schwimmtauglichkeit vor allem der Kinder. Da wegen der Corona-Pandemie Schwimmen über lange Zeit nicht und nun nur eingeschränkt möglich war, sei ein dramatischer Einbruch bei der Schwimmausbildung zu erwarten: Bis zu 80 Prozent weniger Kinder als im Vorjahr könnten 2020 Grundfertigkeiten im Rahmen des Seepferdchen-Abzeichens lernen. „Rund 20.000 Kinder in NRW sitzen im wahrsten Sinne des Wortes auf dem Trockenen“, sagt Frank Rabe, Generalsekretär des Schwimmverbandes NRW.
Die Lücke sei für die Vereine kaum aufzufangen: „Schon jetzt warten Kinder bis zu ein Jahr auf einen Platz im Schwimmkurs, das wird sich jetzt weiter aufstauen.“ Es fehlten Bäder und Ausbildungszeiten, die Möglichkeiten seien zu 100 Prozent ausgeschöpft.
Erschwerend komme in diesem Jahr hinzu, dass auch an den Schulen Schwimmunterricht wochenlang nicht stattgefunden hat, weil die Schulen geschlossen waren. Er sieht die Sommersaison mit Sorge. „Wenn wir nun noch mehr Kinder haben, die noch nicht schwimmen können, stehen wir vor noch größeren Problemen beim Baden an Freigewässern.“
Land fördert Schwimmkurse für Kinder auch außerhalb der Ferien
Eine Möglichkeit zum Aufholen der Schwimmkurse schafft das Land NRW: Das Ferienschwimm-Programm „NRW kann schwimmen“ wird inzwischen auch auf Zeiten außerhalb des Urlaubs ausgeweitet. Das Programm ermöglichte 2019 mittels vergünstigten Kursangeboten über 5000 Kindern schwimmen zu lernen. Budget: 260.000 Euro. Mittel, die 2020 nicht abgerufen werden, sollen 2021 zur Verfügung stehen, berichtet Rabe.
>>> IM NOTFALL DEN NOTRUF WÄHLEN
Die DLRG appelliert an Schwimmer, besonders umsichtig im Umgang miteinander zu sein. Gerade wenn viele Menschen an Badestellen seien, müsse mehr aufeinander geachtet werden. Auch wenn eine Situation nicht sofort klar als Notfall zu erkennen ist, sollte man den Notruf (112) wählen. „Besser einmal zu viel als einmal zu wenig“, mahnt DLRG-Sprecher Michael Grohe.