Essen. Im Ruhrgebiet gibt es immer weniger Katholiken und Protestanten. Die Zahl der Kirchenaustritte stieg bei beiden Konfessionen sprunghaft an.

Die Zahl der Kirchenaustritte im Bistum Essen ist sprunghaft gestiegen. Wie das Bistum am Freitag mitteilte, kehrten im vergangenen Jahr mehr als 7200 Menschen im Bistum der katholischen Kirchen den Rücken. 2018 lag die Zahl der Austritt noch bei rund 5500. Der relative Anteil der Ausgetretenen an der Gesamtzahl der Katholiken war 2019 mit 0,98 Prozent so hoch wie nie zuvor in der Geschichte des Bistums Essen.

Noch 740.000 Katholiken im Ruhrbistum

Absolut wurde der Wert nur durch 7551 Austritte im Jahr 2014 übertroffen, als der Skandal um den damaligen Limburger Bischof Franz-Peter Tebartz-van-Elst viele Menschen bewegte. Weil es zudem deutlich mehr Sterbefälle als neu Getaufte gab, ging die Zahl der Katholiken im Ruhrbistum insgesamt um knapp 16.000 auf nun 740.000 zurück.

Umgang der Kirche mit Missbrauchfällen

Vor allem in der anhaltenden Diskussion über den Umgang der Kirche mit Missbrauchsfällen sieht der Essener Generalvikar Klaus Pfeffer einen Grund für dem massiven Anstieg der Austritttszahlen. „Es ist bitter zu sehen, dass es uns nicht hinreichend gelingt, die Aufarbeitung der unsäglichen Missbrauchstaten so entschieden und überzeugend voranzutreiben, um verloren gegangenes Vertrauen zurück zu gewinnen“, sagt Pfeffer. Gleichwohl werde der Weg der transparenten Aufklärung und der Präventionsarbeit fortgesetzt, betonte er. „Nur so haben wir überhaupt eine Chance, wieder glaubwürdig zu werden“, so Pfeffer.

Vor allem jüngere Menschen treten aus

In einem vorab der Westfalenpost gegebenen Interview betonte Pfeffer, dass die Austritte zunehmend die Gruppe der gut gebildeten und gut verdienenden Frauen und Männer im Alter von 20 bis 35 Jahren betreffen. „Das ist für uns extrem bedrohlich, weil es den demografischen Prozess massiv beschleunigt. Das hat massive Auswirkungen und wird unser kirchliches Leben noch radikaler verändern, als wir derzeit ahnen““, sagte der Generalvikar.

Das Erzbistum Paderborn, zu dem weite Teile des östlichen Ruhrgebiets gehören, leidet ebenfalls unter einer starken Austrittswelle. 2019 verließen rund 13.000 Menschen die katholische Kirche im Bereich des Erzbistums. Das sind 3.740 Austritte mehr als im Vorjahr.

Austrittswelle auch bei der evangelischen Kirche

Auch bei der Evangelischen Kirche sind die Zahlen deutlich rückläufig. Die Evangelische Kirche von Westfalen meldet 2019 einen Rückgang der Mitgliederzahlen um 2,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die Landeskirche, deren Gebiet im Ruhrgebiet bis Witten, Hattingen, Bochum und Gelsenkirchen reicht, hat aktuell noch rund 2,15 Millionen Gläubige. Größter Faktor bei den Rückgängen waren die Todesfälle (rund 35.000): Die Zahl der Verstorbenen stieg im Vergleich zum Vorjahr um 4,2 Prozent. Ausgetreten sind mehr als 20.000 Mitglieder (2018: 15.960). Bei der rheinischen Landeskirche, zu der der westliche Teil des Ruhrgebiet gehört, stiegen die Austritte um rund 23 Prozent auf 28.517 (2018: 23.142). (mit WP)