Düsseldorf. Die Aufklärungsquote steigt, mehr Täter werden ermittelt. Aber das “Dunkelfeld“ bei Kindesmissbrauch bleibt groß.

Die Landesregierung sieht deutliche Fortschritte im Kampf gegen Kindesmissbrauch in NRW. „Die Missbrauchsfälle von Lügde haben allen die Augen geöffnet“, sagte NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) am Mittwoch im Landtag. „Wir ermitteln mehr, wir finden mehr, wir hellen das Dunkelfeld auf“, so der Minister. Die Zahl der Ermittler in diesem Bereich wurde inzwischen auf mehr als 400 vervierfacht. Diese Beamten fehlten allerdings bei der Aufklärung anderer Delikte, kritisieren Polizeigewerkschaften.

84 Prozent der bekannt gewordenen Taten wurden aufgeklärt

Laut einem Bericht der Stabsstelle im Innenministerium, die nach den Missbrauchsfällen von Lügde eingesetzt wurde, zählten die Behörden in NRW im vergangenen Jahr 2805 Missbrauchsfälle – 380 mehr als im Jahr 2018. 84 Prozent dieser Fälle konnten aufgeklärt werden. Laut Reul ist das „die höchste Aufklärungsquote in 20 Jahren“.

Die Konfrontation mit Bildern von Vergewaltigungen hatte die Mitglieder des Landtags-Innenausschusses im vergangenen Jahr bei einem Besuch im Landeskriminalamt (LKA) erschüttert. Vertreter aller Fraktionen erinnerten gestern an diesen Termin. „Wer Kinder missbraucht, ist ein Seelenmörder“, meinte Daniel Sieveke (CDU). Andreas Bialas (SPD) sagte, die Täter reduzierten kleine Kinder „auf ein Ding“.

Gigantische Datenmengen

Zwei große Kindesmissbrauchs-Fallkomplexe -- in Lügde und Bergisch-Gladbach -- haben NRW zuletzt erschüttert. In dieser Woche wurde einer der Täter aus Bergisch-Gladbach, ein 27-jähriger Soldat, zu zehn Jahren Haft und Unterbringung in der geschlossenen Psychiatrie verurteilt.

Die Dimension solcher Verbrechen ist aber nur ansatzweise zu erahnen. Kindesmissbrauch sei ein gesellschaftliches „Massenphänomen“, das Politik und Sicherheitsbehörden viel zu lange nicht auf dem Schirm gehabt hätten, sagte der Innenminister. Bei einer der Durchsuchungen wurde laut Reul die Rekordmenge von 26 Terabyte Daten sichergestellt. Das entspreche etwa 169 Millionen DIN-A-4-Seiten.

„Jeder Täter darf sich keine Sekunde lang sicher fühlen“

„Jeder Täter darf sich keine Sekunde lang sicher fühlen“, umriss Reul sein Ziel. Die Grünen-Innenexpertin Verena Schäffer erinnerte daran, dass trotz der neuen Sensibilität für dieses Thema, trotz der hohen Zahl der Ermittler und besserer Ermittlungsmöglichkeiten im Internet bisher nur ein kleiner Teil der Delikte sichtbar sei: „Dunkelfeldstudien gehen davon aus, dass etwa acht Prozent aller Kinder von sexuellem Missbrauch betroffen sind. Das sind zwei Kinder pro Schulklasse“, sagte Schäffer.