Düsseldorf. Per Mail kündigte das NRW-Schulministerium die Öffnung der Grundschulen an - ein Schnellschuss. Später korrigierte die Landesregierung die Mail.
Mit einer Kommunikationspanne zur Öffnung der Grundschulen in NRW hat die Landesregierung Lehrer und Kommunen vor dem langen Wochenende gegen sich aufgebracht. Das NRW-Schulministerium hatte zunächst signalisiert, dass alle Grundschuljahrgänge ab dem 11. Mai zeitweise wieder in die Klassen gerufen werden. Wenige Stunden später korrigierte dies Ministerpräsident Armin Laschet (CDU). Darüber würden Bund und Länder erst am 6. Mai entscheiden, sagte er. Der Plan sei bisher nur „eine Option“.
Die Lehrergewerkschaft GEW kritisierte dieses Hin und Her rund um die anstehende Schulöffnung als „planlos“ und „inakzeptabel schlechtes Regierungshandeln“. GEW-Landesvorsitzende Maike Finnern sagte: „Das Letzte was die Schulen derzeit brauchen, ist eine irrlichternde Landesregierung.“ Auch Stefan Behlau, Landeschef des Pädagogen-Verbandes VBE, klagte über „chaotische Kommunikation“ in der Regierung.
NRW-Schulministerium rudert zurück
Duisburgs Oberbürgermeister Sören Link (SPD) meldete sich über Facebook und warf der NRW-Regierung eine „grottenschlechtes Krisenmanagement“ vor. So dürfe man nicht mit Schulen, Lehrern, Städten, Eltern und Schülern umgehen. Das Schulministerium hat inzwischen seine umstrittene Schulmail berichtigt. Nun heißt es: Die Öffnung der Grundschulen ab dem 11. Mai für alle Jahrgänge sei lediglich „ein denkbarer Plan“. Die Schulen werten die Mails des Ministeriums üblicherweise als Erlasse, an die sie sich halten müssen.
Unterdessen haben zwei Schüler aus NRW laut Informationen der Nachrichtenagentur dpa vor dem Oberverwaltungsgericht Münster Klagen gegen die für den 7. Mai geplante Rückkehr von Viertklässlern in die Grundschulen eingereicht. In Hessen war nach einer erfolgreichen Schüler-Klage vor dem Verwaltungsgericht in Kassel der Schulstart ausgesetzt worden.
Konflikt zwischen Landesregierung und Kommunen vorerst beigelegt
Nach den jüngsten Irritationen zwischen den Städten in NRW und der Landesregierung über die Schulöffnungen gelang es Ministerpräsident Laschet am Freitag bei einer Videokonferenz mit den Kommunalen Spitzenverbänden, die Wogen zu glätten. Laschet hatte in einer Talkshow angedeutet, dass die Kommunen in NRW schlecht auf die Schulöffnung vorbereitet gewesen seien. „Dieser Konflikt ist ausgeräumt“, sagte Verbands-Vorsitzender Thomas Hunsteger-Petermann (CDU) nach dem Treffen.
Die Kommunen nutzten die Konferenz dazu, erneut darauf hinzuweisen, dass sie für Schul- und Kita-Öffnungen eine „angemessene Vorlaufzeit“ benötigten. Bei der Rückkehr der Abschlussklassen hatten sich viele Schulträger vom Land „überrumpelt“ gefühlt. NRW habe nun zugesagt, einen besseren Informationsaustausch mit Städten und Kreisen zu prüfen. Die Kitas in NRW sollten nach dem Willen des NRW-Städtetags frühestens ab dem 18. Mai wieder öffnen.
Hier die wichtigsten Fragen und Antworten zum Chaos um die Schulmail in NRW:
Welche Schulpläne verfolgt das Land?
In seiner 17. „Schulmail“ hatte das NRW-Schulministerium erklärt, was in den kommenden Tagen geschehen soll: Am 7. Mai beginnt der Unterricht an den Grundschulen und an den Primarstufen der Förderschulen. An diesem Tag und am 8. Mai sollen aber nur Kinder aus den 4. Klassen zurück in den Unterricht. Danach, und das ist neu, könnten auch die anderen Jahrgänge in die Grundschulen gerufen werden: „Ab dem 11. Mai sollen in einem tageweise ,rollierenden' System die Kinder aller Jahrgangsstufen wieder in ,ihre' Schulen gehen können.“
Was bedeutet das?
Bund und Länder denken bei diesem „rollierenden System“ daran, ab dem 11. Mai einen Jahrgang pro Werktag in die Schulen zu lassen und an diesen Tagen „so viel Unterricht wie möglich“ anzubieten. Das System würde dazu führen, dass die einzelnen Jahrgänge nicht immer am selben Wochentag in der Schule wären. Im Kern läuft es auf eine Mischung von Unterricht in den Schulen (Präsenztag) und dem Lernen daheim hinaus.
Ist das schlimm?
Das Problem ist, dass Schulleitungen, Städte und Lehrer-Verbände die Schulmail für bare Münze genommen haben und davon ausgingen, dass es genau so kommen werde. Bisher hatten diese Mails „Erlasscharakter“, werden also von den Schulen als Befehl verstanden. Nach der Veröffentlichung der Mail stellte NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) aber klar, dass all dies erst am 6. Mai von Bund und Ländern beschlossen werden könnte. Die Schulöffnungen ab dem 11. Mai seien nur „eine Option“. Die Schulmail werde daher „korrigiert“.
Tatsächlich steht in der Mail, etwas versteckt, dass „neue und weitreichende Beschlüsse“ erst am 6. Mai gefasst werden sollen. Das Ministerium geht allerdings davon aus, dass der Fahrplan „erwartungsgemäß“ über den 6. Mai hinaus Bestand haben dürfte. Auf die Frage eines Journalisten, was die Schulen nun denken sollten, sagte Laschet: „Die Schulen können das denken, was der Ministerpräsident ihnen jetzt sagt: Nämlich dass am 6. Mai der nächste Beschluss fällt.“
Wurde die Mail korrigiert?
Ja. Das Schulministerium schreibt auf seiner Homepage, dass Kanzlerin und Ministerpräsidenten Mitte nächster Woche erst die Grundlagen für weitere Schritte der Grundschul-Öffnungen schaffen müssten. Die Schulmail beschreibe bloß „einen für NRW denkbaren Plan“.
Wie reagieren Lehrerverbände?
Entsetzt. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) nennt die Abstimmungsprobleme zwischen Ministerpräsident und Schulministerin eine „Zumutung“ und spricht von „offensichtlich völlig mangelhafter Koordination“. Die GEW ging zunächst davon aus, dass die Schulmail Tatsachen enthielt. Das „rollierende System“ gefällt der Gewerkschaft nicht. Es mute den Schulen „einen organisatorischen Parforceritt mit enormen Belastungen für Schulleitungen und ihre Kollegien“ zu, sagte die GEW-Landesvorsitzende Maike Finnern.
Letztlich sei dieser Plan das Eingeständnis, dass ein normaler Schulbetrieb an Grundschulen in diesem Schuljahr nicht mehr möglich sei. Bis zu den Sommerferien bleiben acht Wochen Zeit. Die Frage die da mitklingt, lautet: Lohnen sich Aufwand und Risiko für diese kurze Zeit überhaupt?
„Die Schulleitungen stehen jetzt vor der Mammutaufgabe, Präsenzunterricht im rollierenden System, Distanzunterricht, Notbetreuung und Offenen Ganztag zu organisieren“, sagte Anne Deimel, Vize-Vorsitzende des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE) in NRW. Als sie dies formulierte, wusste sie aber nicht, dass über diese „Mammutaufgabe“ noch gar nicht entschieden wurde. VBE-Landeschef Stefan Behlau warf der NRW-Regierung am Freitag „chaotische Kommunikation“ vor. Schulen benötigten verlässliche Informationen.
Wie reagiert die Opposition?
SPD-Landtagsfraktionschef Thomas Kutschaty sprach am Freitag von „Regierungschaos“. Laschet habe seine Schulministerin „zurückpfeifen“ müssen. Die Abstimmung zwischen den Regierungspartnern funktioniere nicht.
Der Chef der NRW-Grünen, Felix Banaszak sagte, Kommunen, Schulleitungen, Lehrer, Schüler und Eltern blickten „entgeistert“ auf das „Informationschaos“ der Landesregierung. „In keinem anderen Bundesland ist einer Landesregierung oder einer Schulministerin das zweifelhafte Kunststück gelungen, innerhalb weniger Wochen quasi alle gegen sich aufzubringen, für die sie die Verantwortung in diesen schwierigen Zeiten tragen.“
Wie liefen die Gespräche zwischen Land und Städten am Freitag?
Die NRW-Städte halten den Vorschlag der Kultusministerkonferenz grundsätzlich für richtig, dass alle Schüler, nicht nur die in Grundschulen, vor den Sommerferien zumindest tageweise die Schule besuchen sollen. Der NRW-Städtetag stellte nach dem Gespräch mit Ministerpräsident Laschet und mehreren Ministern am Freitag aber auch klar, dass jeder weitere Schritt zur Schulöffnung „eine angemessene Vorlaufzeit brauche“.
Dieser Fingerzeig scheint in der Regierung angekommen zu sein. Der Städtetag schlug darüber hinaus vor, die Kitas erst ab dem 18. Mai behutsam und zunächst für die Vorschulkinder wieder zu öffnen.