Ruhrgebiet. Die großen Kliniken im Ruhrgebiet planen die Rückkehr zum Regelbetrieb. Aber wie viel Normalität wird bei bleibender Corona-Gefahr möglich sein?

Operationen wurden verschoben, Betten freigehalten: Aber der große Ansturm an Covid-19-Patienten ist in Deutschland ausgeblieben – bislang. Die Kliniken im Ruhrgebiet bereiten sich deshalb auf eine schrittweise Rückkehr in den regulären Betrieb vor. „Wir müssen nun kontrolliert und behutsam überlegen, wie wir das Tagesgeschäft und die Behandlung von Corona-Patienten vereinbaren“, sagte Prof. Christoph Hanefeld, Geschäftsführer des Katholischen Klinikums Bochum (KBB), der WAZ.

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Auch viele Patienten, deren Behandlung verschoben wurde, könnten nicht viel länger warten. Am KBB ist man deshalb froh über die Signale von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU), der sich für eine langsame Wiederaufnahme des Normalbetriebs in Krankenhäusern ausgesprochen hatte. Ab Anfang Mai sollten laut Spahn nur noch 25 bis 30 Prozent der Intensivbeatmungsbetten freigehalten werden und gleichzeitig wieder Eingriffe wie Knieoperationen durchgeführt werden können.

Forderung nach Corona-Zentren

Wie sehr sich diese Zahlen vom derzeitigen Notfallbetrieb unterscheiden, zeigt sich etwa am Klinikum Dortmund: Von den dort insgesamt 1420 Betten wird derzeit dauerhaft knapp die Hälfte freigehalten. Die 124 Intensivbetten wurden laut der Geschäftsführung bislang nur für weniger als 40 Corona-Patienten benötigt, auch im Intensivbereich blieb also dauerhaft der Großteil der Betten frei. Die von Spahn angepeilten 30 Prozent Reserve seien deshalb eine „realistische Größe“, so Geschäftsführer Rudolf Mintrop. „Und diese Reserve ist wichtig, um auf unvorhergesehene Situationen wie Infektionswellen in Senioreneinrichtungen reagieren zu können.“

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Auch bei der Universitätsmedizin Essen begrüßt man die Gedankenspiele aus der Bundespolitik. Den dort extra aufgebauten großen Bereich für Corona-Patienten möchte man in absehbarer Zeit aber nicht abbauen. Nach Ansicht des ärztlichen Direktors Prof. Jochen Werner macht es Sinn, eine „klare Zentralisierung der stationär zu versorgenden Covid-Patienten an ausgewiesenen Zentren“ anzupeilen – etwa an den Universitätskliniken der Metropole Ruhr, wo Betroffene von neuen Behandlungsstrategien durch Therapiestudien profitieren könnten.

Krankenhausgesellschaft: Müssen Patienten die Angst nehmen

Wie die Rückkehr in den stationären Regelbetrieb auch aussehen mag: Bei der Krankenhausgesellschaft NRW (KGNW) betont man, dass die Kliniken in jedem Fall ihre derzeitige Anpassungsfähigkeit aufrechterhalten müssen. „Wir haben bereits Mitte März unter Beweis gestellt, dass wir in der Lage sind, sehr schnell zu reagieren“, so KGNW-Präsident Jochen Brink gegenüber unserer Redaktion. „Dies könnte sich bei Wiederanlauf des stationären Betriebes wieder als notwendig erweisen, wenn die Infektionszahlen erneut steigen.“

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Vorbereitungen auf der Intensiv-Station: In vielen Kliniken werden und wurden bereits neue Beatmungsplätze für potenzielle Covid-19-Patienten geschaffen.
Von Gordon Wüllner-Adomako und Jan Jessen

Zur Normalität zurückzukehren heißt für Brink auch, besorgten Patienten die Angst vor Infektionen in Krankenhäusern zu nehmen. Auch die Einweisungen wegen eines Verdachts auf einen Herzinfarkt oder Schlaganfall seien in den vergangenen Wochen stark zurückgegangen. „Das liegt nicht daran, dass es weniger Verdachtsfälle gibt, sondern dass sich Patienten aus Angst nicht beim Rettungsdienst melden.“ Dieser Umstand führe dazu, dass Erkrankungen verschleppt und zu spät erkannt werden. „Es muss aber vermieden werden, dass das Virus dadurch andere Krankheiten und Todesfälle verursacht“, so Brink.

Experte: „Lokal unterschiedlich reagieren“

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Prof. Boris Augurzky, Gesundheitsexperte beim Essener Wirtschaftsforschungsinstitut RWI, hält es für wichtig, dass sich die Kliniken künftig ortsspezifisch wappnen. „Wir müssen lokal völlig unterschiedlich reagieren.“ Hierfür sei aber ein besserer Datenaustausch wichtig. Zwar sind Krankenhäuser ab sofort verpflichtet, jeden Tag ihre Bettenkapazität an ein zentrales Register zu melden, allerdings bräuchte man laut Augurzky auch für die Nachfrage entsprechende Erhebungen, also für die Zahl der aktuellen und zu erwartenden Corona-Infizierten. Nur dann könnten die Kliniken kurzfristig reagieren – und lernen, mit der Pandemie zu leben.