Düsseldorf. Bisher galt, Schutzmasken seien gar nicht nötig. Aber jetzt setzt ein Umdenken ein. Auch, weil Österreich und die Stadt Jena Fakten schaffen.

Nachdem Österreich seine Bürger verpflichtet, beim Einkauf Schutzmasken zu tragen und Jena am Dienstag als erste deutsche Stadt wegen der Coronakrise eine Mundschutz-Pflicht angekündigt hat, raten Experten auch in NRW den Bürgern dazu, sich freiwillig mit provisorischen Masken zu schützen. Eine harte Maskenpflicht lehnten aber sowohl NRW-Ministerpräsident Armin Laschet als auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (beide CDU) ab.

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„Es geht um zwei Arten von Masken“, sagte Spahn in der Düsseldorfer Staatskanzlei. „Die einen sind wichtig für das medizinische Personal. Die anderen tragen Menschen im öffentlichen Raum, um aus Solidarität andere Menschen zu schützen. Diese Community-Masken können Sinn machen, sie können eine Hilfe sein“, so Spahn. Laschet ergänzte: „Das Tragen von selbst gefertigten Masken ist in Ordnung. Eine Pflicht sehe ich aber nicht.

Gesundheitsministerium: Maskenpflicht später nicht ausgeschlossen

Das NRW-Gesundheitsministerium will aber eine Maskenpflicht nicht völlig ausschließen. Zwar sei das in NRW momentan nicht angezeigt. „Aufgrund der dynamischen Entwicklung kann sich diese Einschätzung möglicherweise als überholt erweisen, wenn sich zeigt, dass die bislang örtlich bzw. NRW-weit ergriffenen Maßnahmen nicht ausreichend sind“, sagte ein Sprecher auf Nachfrage.

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Der Ruf der Fachleute, provisorische Masken im öffentlichen Raum zu tragen, wird seit Tagen lauter. „Grundsätzlich ist es nicht schlecht, selbst gefertigte Schutzmasken zu tragen“, sagte Dr. Birgit Ross, Leiterin der Krankenhaushygiene an der Uniklinik Essen, dieser Redaktion. Studien hätten ergeben, dass mehrlagige Masken durchaus gegen Infektionen schützen können. Große Tröpfchen blieben darin hängen. Außerdem böten die Provisorien Schutz, wenn sich die Maskenträger ins Gesicht fassen.

Gute Anleitungen zum Selbernähen

Bei selbst gefertigten Masken fehle zwar jede Qualitätskontrolle. Inzwischen gebe es aber gute Anleitungen im Internet zum Selbermachen, zum Beispiel von der Stadt Essen. Eine Maskenpflicht macht allerdings nach Einschätzung von Ross nur dann Sinn, wenn echte medizinische Schutzmasken für alle Bürger verfügbar seien.

Der Virologe Christian Drosten hatte vor wenigen Tagen per Twitter für das Maskentragen geworben: „In der Öffentlichkeit wirken Masken für den Fremdschutz. Also: selbst bauen oder durch Stoff ersetzen.“

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Der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, hat die Bevölkerung ebenfalls zum Anfertigen und Tragen von Schutzmasken aufgerufen. „Besorgen Sie sich einfache Schutzmasken oder basteln Sie sich selbst welche und tragen Sie diese im öffentlichen Raum“, sagte er der Neuen Osnabrücker Zeitung. Masken aus Stoff seien „besser als nichts, weil sie die Atemluft filtern.“

„Jede Maske ist besser als gar keine Maske“

Von einer Maskenpflicht wie in Österreich und Jena wollen NRW-Ministerpräsident Armin Laschet und Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (beide CDU) also nichts wissen. Aber sie sehen, dass selbst gefertigter Schutz inzwischen überall in Deutschland in Mode kommt. Und daran sei auch nichts auszusetzen.

Was plant Jena?

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In einer Woche soll das Tragen eines Mund-und-Nasen-Schutzes in Jenaer Verkaufsstellen, dem öffentlichen Nahverkehr und Gebäuden mit Publikumsverkehr verpflichtend werden. Neben Masken werden auch Tücher oder Schals als Schutz anerkannt. Diese müssen aber auch die Nase und den Mund abdecken.

Die Stadt richtet eine „eindringliche Bitte“ an ihre Bürger: „Nähen Sie sich selbst und anderen Menschen den wichtigen Mund-Nasenschutz, um die Verbreitung des Virus einzudämmen. Jede Maske ist besser als gar keine Maske.“

Wo in Europa gilt schon eine Schutzmaskenpflicht?

Österreich setzt eine Mundschutz-Pflicht für Einkäufe in Kraft. Bezahlen müssen die Menschen dort diesen Schutz selbst – gegen eine „geringe Gebühr“ an den Eingängen der Geschäfte. Mundschutz-Pflicht gilt auch in Tschechien, der Slowakei und Bulgarien. In Italie und Spanien gibt es viele örtliche Initiativen zum Nähen von Schutzmasken.

Was galt bisher?

Zu Beginn der Krise hieß es immer wieder, ein Mundschutz bringe nichts. Das Robert-Koch-Institut (RKI) rät nach wie vor: „Die wichtigsten Schutzmaßnahmen sind das Einhalten der Husten- und Niesregeln, eine gute Händehygiene und das Abstandhalten (mindestens 1,50 Meter). Das RKI sagt allerdings auch, dass es sinnvoll sei, wenn eine an einer akuten Atemwegsinfektion erkrankte Person einen Mund-Nasen-Schutz trage. Damit verringere sich das Ansteckungs-Risiko für andere.

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Es gebe aber „eine hinreichenden Belege“, dass der Mundschutz den Maskenträger selbst schütze. Die Maske könne sogar ein „falsches Sicherheitsgefühl“ erzeugen, die Träger womöglich das Händewaschen vernachlässigen.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) meint immer noch: „Wir raten davon ab, Mundschutz zu tragen, wenn man nicht selbst krank ist.“

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Was sagen Experten jetzt?

Es häufen sich die Einschätzungen, dass der Mundschutz doch besser ist als bisher gedacht. So hat der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, die Bevölkerung zum Anfertigen und Tragen von Schutzmasken aufgerufen. „Mein Rat: Besorgen Sie sich einfache Schutzmasken oder basteln Sie sich selbst welche und tragen Sie diese im öffentlichen Raum“, sagte er der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Die Masken garantierten zwar keinen Schutz vor Ansteckung, sie könnten jedoch das Risiko ein wenig verringern. Einfache Masken aus Stoff seien nur ein Hilfskonstrukt, sagte Reinhardt. „Aber sie sind besser als nichts, weil sie die Atemluft filtern.“

Dr. Birgit Ross, Leiterin der Krankenhaushygiene an der Uniklinik Essen, sagte dieser Redaktion: „Studien haben ergeben, dass mehrlagige Masken gegen Infektionen durch Coronaviren schützen können. Große Tröpfchen bleiben darin hängen. Außerdem bieten sie Schutz, wenn sich die Menschen ins Gesicht fassen.“

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Der Virologe Christian Drosten hat getwittert: „In der Öffentlichleit wirken Masken für den Fremdschutz. Also: selbst bauen oder durch Stoff ersetzen.“

Prof.Stefan Reuter, Infektiologe am Klinikum Leverkusen, empfiehlt generell das Tragen eines Mundschutzes im Kontakt mit anderen Menschen: „In gewisser Weise ist es jetzt eine Form des gegenseitigen Respekts, einen Mundschutz zu tragen.“

Wo finde ich seriöse Anleitungen?

Die Stadt Essen hat eine Näh- und Pflegeanleitung für einen Behelfs-Mund- und Nasenschutz ins Internet gestellt. Birgit Ross empfiehlt dieses Angebot ausdrücklich. Eine gute Nähanleitung für provisorische Schutzmasken bietet online auch das Klinikum Leverkusen. Wichtig ist, dass das die Maske mehrlagig und natürlich atmungsdurchlässig ist. Immer wieder reinigen: Nach jeder Nutzung, mindestens aber einmal am Tag.

Wie behelfen sich Kliniken in NRW?

Weil Schutzkleidung landesweit rar ist, improvisieren viele Kliniken und nutzen Anbieter in ihrer Umgebung, um Masken selbst herzustellen. Ingenieure der Universität Duisburg-Essen fertigen mit 3D-Druckern Schutzmasken zur Behandlung von Coronapatienten in der Essener Uniklinik. Außerdem nähen Mitarbeiter dieses Uni-Klinikums Schutzmasken, die nicht nur dem Krankenhaus, sondern auch der Feuerwehr zugute kommen sollen.

Was sagen die NRW-Städte zur Maskenpflicht?

Eine Nachfrage bei neun großen NRW-Städten ergab, dass eine Maskenpflicht aktuell nicht im Raum stehe. Das sagen zum Beispiel Dortmund, Essen, Düsseldorf, Köln und Münster.

Bochum wünscht sich möglichst einheitliche Regeln für das Ruhrgebiet: ​"Es gibt sehr unterschiedliche medizinische Sichtweisen über die Sinnhaftigkeit von einfachen OP-Masken oder von Masken mit geringer Schutzklasse als Ansteckungsschutz für Bürgerinnen und Bürger, darunter auch die Position der WHO oder des Robert Koch-Instituts (RKI). Damit befassen wir uns. In einem Ballungsraum wie dem Ruhrgebiet ist klar eine landesweite Einschätzung und Regelung wünschenswert und notwendig", sagte eine Sprecherin der Stadt.

Was sagt das NRW-Gesundheitsministerium?

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Gegen ein freiwilliges Tragen solcher Masken bestehe hinsichtlich des damit möglicherweise verbundenen Schutzes vor weiteren Ansteckungen grundsätzlich keine Bedenken, so das Ministerium. Grundsätzlich gebe es keine hinreichende Evidenz, dass ein Mund-Nasen-Schutz (MNS) den Träger vor einer Infektion schützt. MNS halte lediglich Tröpfchen zurück und reduziere so das Risiko einer Ansteckung einer anderen Person (Fremdschutz).

"Bei selbst genähten Masken ist jedoch je nach verwendeten Materials und Machart nicht immer eine Schutzwirkung gegeben. Dieser Aspekt ist daher beim Tragen zu berücksichtigen, anderweitige kontaktreduzierende Maßnahmen sind weiterhin zu beachten und sollten deswegen in keinem Fall vernachlässigt werden", warnt das Ministerium.