Düsseldorf. Nicht mehr eng und stickig: Die NRW-Landesregierung plant den „Stall der Zukunft“ für Schweine. Der hat sogar ein Klo.
Weil der Ruf nach mehr Tierwohl und Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft lauter wird, will NRW die Schweinehaltung in diesem Jahrzehnt grundlegend modernisieren. Das Landwirtschaftsministerium stellte am Mittwoch die „Schweineställe der Zukunft“ vor, die es allerdings bisher nur als Modell gibt. „Luft, Licht und Sonne sind für die moderne Tierhaltung erforderlich“, sagte Staatssekretär Heinrich Bottermann. Um das Ziel, in den kommenden zehn Jahren mehr Tierwohl in 70 Prozent der Betriebe zu erreichen, müssten 4500 von 7000 Mastschwein-Halter ihre Ställe um- oder neu bauen. Verbraucher sollen 40 Cent mehr für ein Kilo Fleisch bezahlen.
Enge und stickige Ställe, fiese Spaltenböden, kaum Auslauf: Die Schweinehaltung in vielen konventionellen Betrieben ist mit dem Begriff „Tierwohl“ nicht zu vereinbaren. Wie die Schweinehaltung der Zukunft in NRW aussehen könnte, im Grunde sogar aussehen müsste, zeigte am Mittwoch das NRW-Landwirtschaftsministerium bei der Vorstellung seiner neuen Nutztierstrategie.
Liegebetten, Klo und offenes Dach für Schweine
Die Beschreibung der beiden Musterställe, die derzeit nur als Modell existieren und bis 2022 auf dem Gelände der Landwirtschafts-Bildungsstätte „Haus Düsse“ in Westfalen gebaut werden, könnte die einer Wellness-Oase für Schweine sein. „Stallsystem 1“ bietet zum Beispiel einen Auslauf mit viel Licht und frischer Luft, Ruhebereiche und insgesamt 1,5 Quadratmeter Platz fürs Tier – immerhin 50 Prozent mehr als in herkömmlichen Ställen. Damit erreichen Schweinehalter die Stufe 2 des staatlichen Tierwohlkennzeichens. „Stallsystem 2“, die Luxusvariante, bietet noch mehr Raum (zwei Quadratmeter pro Tier), einen „Wühlgarten“, beheizte „Liegebetten“, ein Klo und ein Dach, das geöffnet werden kann. Dafür gibt’s das Tierwohl-Label der Stufe 3. Die Kosten für die zwei Musterställe – zusammen rund zwei Millionen Euro – übernimmt das Land.
Das alles ist noch Zukunftsmusik. Tierwohl-Fleisch der Stufen zwei und drei sind heute in den Supermärkten und Discountern selten. Aber das Land NRW hat sich Ziele gesetzt. „Wenn in den nächsten zehn Jahren 4500 von 7000 Schweinemast-Betriebe ihre Ställe auf diese Weise um- oder neu bauen, wäre das ein großer Erfolg“, sagte Agrar-Staatssekretär Heinrich Bottermann. Die Tiere würden dann besser gehalten, Umwelt und Klima weniger belastet und die Bevölkerung würde die Landwirtschaft und ihre Produkte mehr akzeptieren, so Bottermann.
Ministerium: Tierwohl würde 40 Cent mehr pro Kilo kosten
Dieser „Paradigmenwechsel“ ist allerdings sehr teuer. Etwa 350 Millionen Euro zusätzlich müssten jedes Jahr zusätzlich ausgegeben werden, wenn 70 Prozent der Schweine-Betriebe die Tierwohl-Stufe 2 erreichen sollen, schätzt Jan Dietzel vom NRW-Landwirtschaftsministerium. Das ist die Lücke zwischen den Kosten und den derzeit erzielbaren Erlösen. Heute kostet ein Mastplatz etwa 600 Euro, das „Stallsystem 1“ würde den Preis auf 900 Euro erhöhen, Luxus-Stall 2 läge „noch deutlich darüber“, hieß es. Weil viele Landwirte heute schon wirtschaftlich an ihre Grenzen stoßen, müssten vor allem Bund, Länder und die Verbraucher dieses „Tierwohl“-Fleisch finanzieren. Heißt: Ein Kilo Schweinefleisch müsste im Laden etwa 40 Cent mehr kosten als heute. Das Landwirtschaftsministerium betont, dass kein Bauer dazu gezwungen werde, diese modernen Ställe zu bauen.
Die Nutztierstrategie des Landes NRW hat neben den „Ställen der Zukunft“ einen weiteren Baustein: eine „Tiergesundheitsdatenbank“. Das ist ein Informationssystem, das auf schon vorhandenen Datenbanken aufbaut und zu einer Art Frühwarnsystem ausgebaut werden soll, in dem tagesaktuell ein Bild über die Gesundheit der Nutztiere in NRW entsteht. Informationen aus den amtlichen Kontrollen werden hier berücksichtigt, außerdem Schlachtbefunde, Eigenkontrollen der Tierhalter und Daten zu Tiertransporten. Damit könnten die Behörden zum Beispiel auf Seuchen schnell reagieren.
Die Nutztierhaltungsstrategie dreht sich zunächst nur um die Schweinehaltung, soll später aber auf andere Tierarten ausgeweitet werden.