Düsseldorf. Zum ersten Mal hat die NRW-Regierung Bauern zu einem Agrargipfel eingeladen. Die Landwirte sind sauer. Viele Betriebe kämpfen um die Existenz.

Die Landwirte in NRW sind sauer, weil ihre Betriebe wirtschaftlich zunehmend unter teuren Tierwohl- und Naturschutzvorgaben und unter ausufernder Bürokratie leiden. Seit Wochen machen Bauern auch an Rhein und Ruhr ihrem Ärger Luft, fahren mit Hunderten Traktoren demonstrierend durch Städte und Dörfer und sogar mitten ins industriell geprägte Ruhrgebiet hinein. Die NRW-Regierung hat diese Wut offenbar beeindruckt. Am Montag lud sie die Landwirte – Traditionalisten und Öko-Bauern – zum ersten „Agrargipfel“ des Landes in die Staatskanzlei ein.

Von „Wertschätzung“ und „Anerkennung“ für die Landwirte war an diesem Nachmittag sehr oft die Rede. NRW-Ministerpräsident Armin Laschet und Landwirtschaftsministerin Ursula Heinen-Esser (beide CDU) sendeten ihren Gästen freundliche Signale. Dieser „Gipfel“ solle das „Kunststück der Versöhnung zwischen Landwirtschaft und Umweltschutz“ ermöglichen. Dabei scheinen diese Gräben derzeit fast unüberbrückbar zu sein.

Das Billigste im Prospekt war das Fleisch

Laschet erklärte, die heimische Landwirtschaft brauche „gute Perspektiven“, obwohl hierzulande immer strengere Regeln für Dünge- und Pflanzenschutzmittel greifen. Vor allem müssten faire Preise her, für Fleisch, Milch, Getreide. Der Ministerpräsident erzählte von einem Prospekt mit Silvester-Angeboten, den man ihm gezeigt habe: preiswerte Böller, günstiger Sekt, Lebensmittel-Schnäppchen. „Das Billigste war das Fleisch, und das ist unangemessen“, entrüstete sich Laschet. „Fleisch mit Qualität, unter ökologischen Gesichtspunkten hergestellt, braucht einen höheren Preis“. Die Deutschen sparten leider allzu gern ausgerechnet bei den Lebensmitteln, im Gegensatz zu den Franzosen, die sich ihr leibliches Wohl gern etwas mehr kosten ließen.

Ursula Heinen-Esser kritisierte den brutalen Preis-Druck des Handels auf die Landwirte. NRW wolle daher eine Bundesratsinitiative zur Preisgestaltung starten. Fleisch und andere Nahrungsmittel sollten nicht unter ihrem Herstellungspreis verkauft werden dürfen. Ziel: „Mehr Wertschätzung gegenüber dem, was auf dem Acker wächst und im Stall steht“. Die Ministerin, die nicht nur für Landwirtschaft, sondern auch für die Umwelt zuständig ist, findet es zwar grundsätzlich in Ordnung, dass Bauern künftig in Naturschutzgebieten auf Pflanzenschutzmitteln verzichten sollen. Aber dafür müssten die Landwirte auch entschädigt werden. Wenn nicht, käme dies „einer Enteignung gleich“.

„Ohne uns gibt es nichts zu essen“

Zwar sind die Fronten zwischen der traditionellen Landwirtschaft und Naturschützern weiter extrem verhärtet. Die Landwirte beteuern aber in letzter Zeit immer mehr, dass auch sie ein großes Interesse an Natur-, Arten- und Umweltschutz hätten. Vom großen Ziel eines einem „ausgewogenen Gesellschaftsvertrages“ spricht zum Beispiel Johannes Röring, Chef des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbandes, ein Vertreter der klassischen Bauernschaft.

„Ohne uns gibt es nichts zu essen“, betonte Georg Biedemann, Landessprecher der Bewegung „Land schafft Verbindung“, die zu den Motoren des Bauern-Protests zählt. Biedemann und seine Mitstreiter bringt zum Beispiel die Düngeverordnung in Rage. Dass in Regionen mit einer hohen Nährstoffbelastung – so genannte „rote Gebiete“ – künftig 20 Prozent weniger gedüngt werden soll, hält die Bewegung für falsch. Die „Unterdüngung“ führe zu Humusabbau und damit zu einer geringeren Bindung von CO2, so Biedemann.

Öko-Bauern warnen: „Nie war die Kluft zwischen Gesellschaft und Landwirten breiter“

Ist die Landwirtschaft also inzwischen auf einem guten Weg, einsichtig und dem Naturschutz zugewandt? Das bezweifeln viele Produzenten von Bio-Produkten. „Die Landwirtschaft hat sich Jahrzehnte lang falsch entwickelt“, sagte Jan Leifert von der Landesvereinigung Ökologischer Landbau. Nie zuvor habe es in NRW so wenige Landwirte gegeben, so hohe Belastungen für die Betriebe, „nie war die Kluft zwischen Landwirtschaft und Gesellschaft breiter“, warnte Leifert. Bei Natur-, Arten und Gewässerschutz gebe es akuten Handlungsbedarf. Der Öko-Landbau sei Teil der Lösung, unterstreicht dieser Verband.