Düsseldorf. Ein Außendienstler wird von einem psychisch Kranken ermordet, obwohl eine Klinik die Staatsanwaltschaft früh warnte. Jetzt wackelt der Minister.
Es ist abermals ein schwerer Gang für Peter Biesenbach. Als der 71-jährige Justizminister am Mittwoch zur Sitzung des Rechtsausschusses im Landtag eilt, wird er von Kameras, Mikrofonen und gezückten Notizbüchern umringt. Nach dem Mord an einem Kämmerei-Beschäftigten der Stadt Köln deutet einiges auf neuerliche Justiz-Pannen hin. Die SPD spricht von „Staatsversagen“ und fordert den Rücktritt Biesenbachs.
„Dieser Mann hätte nicht sterben müssen und nicht sterben dürfen“, sagt SPD-Fraktionsvize Sven Wolf über den 47-jährigen Kölner Beamten, der Mitte Dezember beim Geldeintreiben von einem psychisch kranken 60-Jährigen erstochen wurde. Biesenbach wies die Rücktrittsforderung zwar als „durchsichtig“ zurück, doch die Fragen nach schweren Fehlern bei der Justiz stellen sich drängend.
Die Kölner LVR-Klinik hatte die Staatsanwaltschaft bereits am 25. März 2019 in einem Schreiben auf die besondere Gefährlichkeit des Mannes für die Allgemeinheit hingewiesen und die sofortige Unterbringungen in einer geschlossenen Einrichtung beantragt. Die Gefahr sei zu groß, als dass man bis zum Abschluss eines zu diesem Zeitpunkt laufenden Strafverfahrens warten könne. Die Ärzte beriefen sich dabei auf den Paragrafen 126a der Strafprozessordnung, der nur unter strengen Voraussetzungen angewendet werden darf und als eine Art Haftbefehl für schuldunfähige Menschen gilt. „Deutlicher kann eine Fachklinik nicht auf die drohende Gefahr hinweisen“, sagt Wolf.
Klinik wollte Mann sofort in die geschlossene Abteilung einweisen lassen
Der Mann hatte wenige Wochen zuvor eine Stadt-Mitarbeiter mit einem Schraubenzieher attackiert, als sie ihn zu einer ersten gerichtlich angeordneten psychiatrischen Begutachtung abholen wollte. Die Frau konnte sich nur noch mit einer Aktenmappe vor schweren Verletzungen schützen. Nach diesem Vorfall wurde der spätere mutmaßliche Mörder kurzzeitig in der LVR-Klinik in Köln behandelt. Dort attackierte er auf der geschlossenen Station einen Pfleger und bedrohte ihn mit einem Messer.
Die Kölner Staatsanwaltschaft ließ den Vorgang trotz der eindringlichen Klinik-Warnung vom 25. März augenscheinlich drei Monate lang liegen und fragte erst Ende Juni schriftlich einen Sachverständigen an, der den Antrag auf sofortige Einweisung prüfen sollte. Veranlasst wurde jedoch nichts, eine Antwort des Gutachters ist bis heute nicht bekannt. Die Klinik musste den als außerordentlich gefährlich geltenden Mann deshalb bereits am 18. April 2019 aus rechtlichen Gründen wieder nach Hause schicken.
Das Kölner Mordopfer, das am 13. Dezember schließlich die Kosten des ersten Gewaltausbruchs bei dem Mann in dessen Wohnung in Köln-Dünnwald hätte eintreiben sollen, wusste überdies nichts von der Vorgeschichte des psychisch kranken Schuldners. Man habe den Kämmerei-Beschäftigten „leider buchstäblich ins offene Messer laufen lassen“, so Wolf.
Kämmerei-Mitarbeiter wusste nichts von der Gefährlichkeit
Die Kölner Staatsanwaltschaft prüft intern, ob es zu Versäumnissen gekommen ist und hat ein disziplinarrechtliches Verfahren eingeleitet. Biesenbach hebt hervor, dass die Behörde selbst die möglichen Pannen öffentlich gemacht habe und aufarbeite. Der Minister verwies auf die hohe Arbeitsbelastung der Staatsanwälte. „Jeder Fehler, der gemacht wird, ist nicht zu entschuldigen, wenn er zu einem solch tragischen Ergebnis führt. Aber Fehler werden unausbleiblich sein“, so Biesenbach.
Der Opposition reicht das nach zahlreichen Justiz-Vorfällen in den vergangenen zwei Jahren nicht mehr: „Pleiten, Pech und Pannen im Geschäftsbereich des Ministers sind an der Schmerzgrenze“, findet Grünen-Rechtspolitiker Stefan Engstfeld.