Düsseldorf. “Testet den Taser“, fordert GdP-Polizeigewerkschafter Michael Mertens. Die Polizei warte schon lange darauf. Die Landesregierung ist vorsichtig.
Angesichts vieler Attacken gegen Polizisten in NRW fordert die Gewerkschaft der Polizei (GdP) die Landesregierung auf, zügig einen praxisnahen Testlauf für Distanzelektroimpulsgeräte (Taser) zu starten. „Wir brauchen den Praxistest so schnell wie möglich. Die Gewalt gegen Polizeibeamte nimmt weiter zu, und die Qualität dieser Gewalt nimmt zu“, sagte GdP-Landesvorsitzender Michael Mertens dieser Redaktion. 2018 wurden in NRW fast 19.000 Polizisten von Gewalttätern angegriffen. Neue Zahlen liegen noch nicht vor.
Der Taser hat aus Sicht der Polizeigewerkschaft einen hohen präventiven Wert. „Pfefferspray schreckt viele Gewalttäter gar nicht mehr ab und setzt bei Gegenwind und in geschlossenen Räumen womöglich auch den Polizisten außer Gefecht. Auch der Schlagstock ist eine sehr gefährliche Waffe“, sagte Mertens“. Der Taser sei hingegen „schonender für alle Beteiligten“.
Angreifer werden außer Gefecht gesetzt
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Diese „Elektroschockpistolen“ dienen dazu, Angreifer kurz außer Gefecht zu setzen. In Rheinland-Pfalz und im Saarland werden Polizisten künftig mit Tasern ausgestattet, in Berlin und Hessen laufen Vorbereitungen dafür. In NRW dürfen Taser bisher nur von Spezialeinsatzkommandos eingesetzt werden. Laut NRW-Innenministerium ist dies zwischen 2014 und 2018 insgesamt 73-mal geschehen. Todesopfer habe es dabei nicht gegeben, so die Landesregierung.
Das Landesamt für zentrale polizeiliche Dienste (LZPD) hat zwar den Taser schon intern geprüft, wie das Innenministerium bestätigt. Dabei handelt es sich aber nicht um einen Praxistest. Der aber sei im Koalitionsvertrag zwischen CDU und FDP ausdrücklich vereinbart, kritisiert die GdP.
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Die Diskussion über die Elektroschocker nimmt auch Fahrt auf, weil kürzlich ein Kommissasanwärter in Gelsenkirchen einen Mann mit vier Schüssen getötet hatte, der Polizisten mit Knüppel und Messer angegriffen haben soll. Die These, dass der Mann noch leben könnte, wenn die Beamten einen Taser zur Verfügung gehabt hätten, ist aber umstritten. „Eine Bedrohung durch eine aktive Messerattacke oder eine Schusswaffe können nur mit der Schusswaffe abgewehrt werden. Das ist alternativlos“, so Mertens.
Amnesty International ist entsetzt
Amnesty International ist entsetzt darüber, dass nun auch in NRW der Ruf nach Tasern immer lauter wird und zweifelt die offizielle Einordnung der Taser als „nicht tödliche Waffe“ an. Besonders kranke und geschwächte Menschen würden durch die Elektro-Pistolen stark gefährdet. In anderen Bundesländern gab es Todesfälle im Zusammenhang mit der Taser-Nutzung.
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Der Werbespot der US-Firma Axon für ihre neueste Elektro-Pistole ist reich an Superlativen. Der „beste Taser aller Zeiten“ wird da gepriesen. Schneller, stärker und genauer als die Vorgänger-Modelle soll der „Taser 7“ Angreifer stoppen können. Der Super-Taser weckt Begehrlichkeiten auch in der NRW-Polizei. Kritiker warnen aber vor Risiken und Nebenwirkungen.
Wie funktioniert ein Taser?
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Mit dieser Elektropistole können kleine Projektile, die über Drähte mit der Waffe verbunden sind, auf einen Menschen geschossen werden. Elektrische Impulse setzen den Getroffenen kurzzeitig außer Gefecht. Das neueste Modell, Taser 7, verfügt über zwei Kartuschen mit Projektilen und kann auf zwei Entfernungen eingestellt werden. Recht treffsicher ist dieser Taser bis ca. sieben Meter. Weil die Firma Axon aus Arizona auch die gängigen Körperkameras (Bodycam) für Polizisten liefert, könnten Kameras und Elektropistole technisch verknüpft werden. Heißt: Wenn ein Beamter den Taser zieht und entsichert, gehen automatisch seine Bodycam und die Kameras seiner umstehenden Kollegen an.
Wo werden Taser schon genutzt?
Zum Beispiel in den USA und in Großbritannien, auch in der Schweiz und in Österreich. In Deutschland haben sich Rheinland-Pfalz und das Saarland für Taser entschieden. Vorbereitungen dafür laufen in Berlin, Hessen und jetzt auch in NRW.
Warum fordern Polizeigewerkschafter in NRW diese Waffe?
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„ Der Taser ist schonender für alle“, sagt GdP-Landeschef Michael Mertens. Er meint damit die Polizisten und die Angreifer. In vielen Fällen könnten Polizisten in kritischen Situationen auf den Gebrauch einer richtigen Pistole verzichten. Einsatztaktisch schließt der Taser eine Lücke zwischen dem Einsatzmehrzweckstock (Schlagstock) und dem Pfefferspray auf der einen sowie der Schusswaffe auf der anderen Seite. Taser können den einen oder anderen Schusswaffengebrauch verhindern, aber nicht jeden“, so Mertens.
Was sagen die Kritiker?
"Die gesundheitlichen Risiken beim Einsatz von Tasern sind groß, insbesondere für Herzkranke und andere geschwächte Menschen, für Drogenkonsumenten, Alkoholisierte, Kinder und Schwangere. Die Polizisten können nur schwer bewerten, wer ihnen da gegenübersteht“, sagt auf Nachfrage Mathias John, Experte für Rüstung und Menschenrechte bei Amnesty International.
Die Einordnung als nicht-tödliche Waffe ist laut Amnesty anzuzweifeln. „Polizisten, die Selbstversuche mit dem Taser machen, sind gut durchtrainiert und werden von Kollegen beim Fall aufgefangen“, so John. Er erinnert an Fälle in Hessen und Rheinland-Pfalz, bei denen nach Taser-Einsätzen durch Polizisten drei Menschen gestorben sind.
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Für John sind die medizinischen Risiken und die politische Verharmlosung des Tasers eine „gefährliche Mischung“. Laut einer Studie aus den Niederlanden wurde Menschen sogar durch die Polizei mit aufgesetzten Tasern Schmerzen zugefügt, obwohl diese Personen bereits unter Kontrolle waren. Amnesty mahnt: Taser sollten, wenn überhaupt, nur durch gut geschulte Spezialeinheiten der Polizei eingesetzt werden.
Gibt es Beweise dafür, dass Taser tödlich sein können?
„Es gibt keinen Fall, in dem der Einsatz von Tasern nachweisbar zum Tod geführt hat“, sagt Gewerkschafter Mertens. „Es gibt Todesfälle nach Pfefferspray-Einsatz, bei normalen Festnahmen, nach dem Aufsetzen von Spuckhauben. Solche Situationen sind mit extremem Stress für die Täter verbunden. Die Alternative zum Taser wäre in vielen Fällen der Gebrauch einer Schusswaffe mit den entsprechenden Konsequenzen.“ Amnesty International hält dem entgegen, dass der Beweis dafür, dass Taser nicht tödlich sind, auch nicht erbracht sei.
Wie steht die NRW-Regierung zum Taser?
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Sie will sich – im Gegensatz zum Beispiel zu Rheinland-Pfalz – derzeit noch nicht festlegen. Im Koalitionsvertrag zwischen CDU und FDP steht, die Regierung wolle „nach Abschluss eines Pilotprojektes“ über die Ausstattung der Polizei mit Tasern entscheiden. Das Landesamt LZPD hat zwar nun zwar diese Geräte getestet, und der Bericht liegt der Regierung vor. Dabei handele es sich aber laut GdP nur um eine „theoretische Vorarbeit“ und nicht um einen „echten Praxistest“. NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) hatte im Sommer die Einführung der Taser verschoben, mit Verweis auf finanzielle Gründe und den hohen Schulungsaufwand.