Bochum. Der ehemalige Bundespräsident mahnte in Bochum zu Freiheit und Toleranz. Rede an der Ruhr-Uni zur Verleihung der Max-Imdahl-Gastprofessur.

Derart strenge Sicherheitsvorkehrungen hat die Ruhr-Uni Bochum selten erlebt. Ein großes Polizeiaufgebot begleitete den Besuch von Ex-Bundespräsident Joachim Gauck (79) am Mittwochabend im Audimax der Uni. Personenkontrollen sorgten für Schlangen an den Eingängen zum Audimax, das bis auf den letzten Platz gefüllt war. Sämtliche anliegenden Gebäude wurden aus Sicherheitsgründen verschlossen. Doch die offenbar befürchteten Störer und Demonstranten stellten sich an diesem Abend nicht ein.

Vorträge von Politikern an Universitäten hatten zuletzt für viel Aufsehen gesorgt. So hatten Demonstranten die Vorlesungen von AfD-Mitbegründer Bernd Lucke an der Uni Hamburg mehrfach verhindert. Auch der FDP-Vorsitzende Christian Lindner durfte nicht im Hamburger Hörsaal reden. Da passte das Vortragsthema des ehemaligen Bundespräsidenten gut in die Debatte um Meinungsfreiheit.

Uni würdigt Gauck als Brückenbauer zwischen Menschen und Staaten

„Die Plurale Gesellschaft – Gewinn und Verunsicherung“ lautete der Titel seiner Rede. Womit er nicht nur die Flüchtlingsdebatte in den Blick nahm. Von Toleranz redete Gauck, von politischem Verständnis und sachlicher Debatte über die Grenzen des Rechts-Links-Schemas hinaus. „Wir leben zwar zusammen in einer Nation, aber nicht mehr in einer Welt der gefühlt Gleichen“, führte Gauck aus.

Der Bochumer Uni-Rektor Axel Schölmerich (li.)begleitet Joachim Gauck ins Audimax der Uni.
Der Bochumer Uni-Rektor Axel Schölmerich (li.)begleitet Joachim Gauck ins Audimax der Uni. © FUNKE Foto Services | Foto: André Hirtz

Gauck redete in Bochum anlässlich der Verleihung der Max-Imdahl-Gastprofessur. Der Ex-Bundespräsident stehe ebenso wie der Namensgeber der Professur für den Dialog zwischen Generationen, Kulturen und Milieus, begründete Uni-Rektor Axel Schölmerich die Würdigung durch die Bochumer Uni. Zuletzt hatte die Theologin Margot Käßmann die Professur 2011 inne.

Fremdes erzeugt Skepsis und Abwehr

Vielfalt und Pluralität hätten die Homogenität alter Nationalstaaten abgelöst, so Gauck. „Fremdes oder Fremde rufen Skepsis und Misstrauen hervor.“ Und aus der Abwehr gegen Zuwanderer könnten Populisten politisches Kapital schlagen. „Das Autoritäre ist vielerorts auf dem Vormarsch“, mahnte der elfte Bundespräsident Deutschlands (2012 bis 2017).

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Im Sommer hatte Gauck mit seinem Aufruf für eine Erweiterung der Toleranz ins rechte Lager hinein eine mittelschwere Kontroverse ausgelöst. Toleranz dürfe nicht nur jenen gelten, die wir mögen, so Gauck damals. Wähler die AfD sollten nicht pauschal als Faschisten verunglimpft werden. Dies wiederholte er in Bochum nicht explizit, doch der Appell für Toleranz auch für Positionen rechts von der Union schwang mit.

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So warb Gauck um Verständnis für jene, die Vielfalt nicht als Chance, sonders als Bedrohung verstehen. Die sich als Verlierer der Moderne begreifen und sich nicht nur durch Migration angegriffen fühlten, sondern zusätzlich verunsichert würden durch Digitalisierung, Globalisierung, Klimawandel und künstliche Intelligenz. „Da ist etwas ins Rutschen gekommen“, sagte Gauck.

Zugehen auf die Verlierer der Moderne

Fehlendes Vertrauen, das Gefühl der „Entheimatung“ bedrohe die liberale Demokratie. Man müsse aber auf jene, die sich nach Sicherheit sehnen, Rücksicht nehmen, ihnen zuhören und Verständnis zeigen. „Wir brauchen den Dialog mit den Verlierern der Moderne“.

„Ach“, hatte Gauck ganz zu Beginn seiner Rede angesichts der großen Orgel im Audimax geseufzt, „wie schön wäre es, jetzt ein Konzert hier zu hören. Doch es muss noch gearbeitet werden.“ Damit hat er wohl unabsichtlich sein Lebensmotto ausgesprochen: Es ist noch keine Zeit für Muße, es gibt noch etwas zu tun in dieser Gesellschaft.gauck legt nach- nicht die komplette afd zum feind erklären