Düsseldorf/Stockholm. Das medizinische Personal in Europa weiß nicht genug über den Einsatz von Antibiotika. In NRW hilft man nach - mit Heften für die Kitteltasche.
Beim Umgang mit Antibiotika gibt es laut einer europaweiten Befragung unter medizinischen Fachkräften weiterhin Wissenslücken. Ein Viertel aller 18.365 befragten Krankenschwestern, Ärzten oder Pharmazeuten, die an einer Studie des Europäischen Zentrums für Krankheitsprävention teilgenommen haben, wissen nicht, dass eine Antibiotika-Behandlung das Risiko für eine Infektion mit einem resistenten Erreger erhöhen kann.
Der überwiegende Teil der Befragten (97 Prozent) konnte korrekt angeben, dass Antibiotika nicht gegen Erkältungen und Grippe wirken. Gleichzeitig sagt ein Drittel, es fehle an einfachem Zugriff zu professionellen Leitfäden für die Nutzung von Antibiotika.
Gezielte Therapie bei Antibiotika besonders wichtig
Deutschland auf Rang fünf
Bei der Antibiotika-Studie handelt es sich laut Europäischem Zentrum für Krankheitsprävention- und kontrolle um die erste EU-weite Umfrage, bei der Ärzte, Pharmazeuten, Krankenschwestern und andere Fachkräfte explizit zu ihrem Wissen rund um das Thema Antibiotika-Resistenz befragt wurden.
Durchschnittlich den besten Wert bei der Beantwortung der Fragen erzielten die Befragten aus Irland, Kroatien, Frankreich und Litauen. Deutschland folgte auf Rang fünf. Am schlechtesten schnitten Lettland und Estland ab.
Hier setzt das Landesgesundheitszentrum NRW an, indem es erstmals einen Antibiotika-Leitfaden für Krankenhäuser herausgegeben hat, der Ärzten bei wichtigen Entscheidungen im Krankenhausalltag helfen soll. Durch eine alphabetische Übersicht, die die häufigsten Erkrankungen des Klinikalltags umfasst, finden Ärzte darin die empfohlene Therapie für das jeweilige Krankheitsbild.
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„Gerade bei Antibiotika muss der Einsatz sehr gezielt erfolgen, um zu vermeiden, dass sie ihre Wirksamkeit verlieren“, sagt Sebastian Thole, Leiter der Fachgruppe Infektiologie am Landesgesundheitszentrum. Laut EU sterben im Jahr rund 33.000 Menschen in der EU an Infektionen, die durch Antibiotika-resistente Bakterien verursacht wurden. In Deutschland sind es rund 2400 Fälle. Gegen solche Bakterien wirken die herkömmlichen Antibiotika nicht mehr.
Leitfaden auch für niedergelassene Ärzte
„Das Grundwissen über Antibiotika schätze ich in NRW zwar als sehr gut ein, aber der Einsatz von Antibiotika erfordert einen hohen fachlichen Wissensstand“, so Thole. Nicht jeder Arzt könne für jedes Krankheitsbild direkt die passende Antibiotika-Therapie kennen, unter Umständen sei umfassende Recherche nötig. Der NRW-weite Leitfaden soll Abhilfe schaffen – und deswegen in keiner Kitteltasche fehlen, sagt Wolfgang Treder, Chefarzt des Kompetenzzentrums Mikrobiologie und Hygiene des St. Franziskus-Hospitals in Münster.
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Treder hat nach zahlreichen Leitfäden für die eigene Krankenhausgruppe auch den NRW-weiten Leitfaden verfasst und weiß, dass nicht nur die Resistenzen ein wichtiges Thema beim Antibiotikaeinsatz sind. „Oft wird aufgrund von Wissenslücken einfach ein allgemeines Antibiotikum verwendet“, sagt der Infektiologe. Auch gehe es darum, Antibiotika mit starken Nebenwirkungen in der Therapie auszuklammern.
Treder arbeitet derzeit an einem Antibiotika-Leitfaden, der auch für niedergelassene Ärzte im Praxisalltag geeignet sein soll. Der neue NRW-weite Leitfaden soll ausschließlich eine Hilfestellung für Krankenhäuser sein. Er wurde vom NRW-Gesundheitsministerium aus Mitteln des „Aktionsplan Hygiene“ finanziert und kann online heruntergeladen werden. (mit dpa)