Kalkar. Rüdiger Lucassen ist neuer Vorsitzender der NRW-AfD. Im Richtungsstreit setzt sich das gemäßigtere Lager gegen den Höcke-nahen “Flügel“ durch.

Im erbitterten Richtungsstreit der NRW-AfD hat sich am Samstag das gemäßigte Lager gegen den völkisch-nationalistischen „Flügel“ durchgesetzt. Ein Parteitag beschloss in Kalkar zunächst, dass der größte Landesverband der AfD künftig nur noch von einer Person und nicht mehr von einer Doppelspitze geleitet wird.

Neuer und einziger Sprecher (Vorsitzender) wurde mit fast 60 Prozent der Stimmen der Bundestagsabgeordnete Rüdiger Lucassen (68), ein früherer Oberst der Bundeswehr aus Euskirchen. Er versprach, die zerstrittenen Lager in der Landespartei zu versöhnen, warnte aber davor, in NRW „die Arbeit der AfD in Ostdeutschland zu kopieren“. Das wäre „grenzenlos naiv“.

Drei Wochen vor der Landtagswahl in Thüringen grenzt sich die NRW-AfD damit vom dortigen AfD-Vorsitzenden und Rechtsaußen Björn Höcke ab. Lucassens Konkurrent, der bisherige Vorsitzende und Höcke-Vertraute Thomas Röckemann, kassierte offenbar die Quittung dafür, dass er vor drei Monaten bei einem Chaos-Parteitag in Warburg an seinem Amt festhielt, obwohl damals neun von zwölf Vorstandsmitgliedern zurücktraten. Für Röckemann stimmten nur rund 40 Prozent der mehr als 500 Delegierten. Der Mindener hatte zuvor die Arbeit des dreiköpfigen Rumpf-Vorstandes gelobt („Der Erfolg heiligt die Mittel“) und war den Ex-Soldaten Lucassen angegangen: „Die AfD ist kein Kasernenhof und kein Selbstbedienungsladen.“

Ziel: "In NRW Bürgermeisterposten erobern"

Lucassen blieb im Ton moderater und warb für „preußische Tugenden“ statt „Personenkult“ um Röckemann. Es gehe ihm „nicht um Befehl und Gehorsam, sondern darum, etwas gemeinsam zu erreichen.“ NRW sei der „Schlüssel zu einer neuen Deutschlandpolitik. Die brauchen wir, um unser Land zurückzuholen.“ Im militärischen Jargon stimmte Lucassen die AfD auf den Kommunalwahlkampf in NRW ein. „Ich will mit Ihnen Bürgermeisterposten erobern und in die Rathäuser einziehen.“ Andreas Preis, ein dritter Kandidat für den Vorsitz, der chancenlos war, warf Lucassen allerdings vor, nach seiner Bundeswehrzeit eine Firma, die pro-ades GmbH, geführt zu haben, die „Menschen im arabischen Raum das Töten beigebracht hat“.

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Die AfD-Fraktionschefin in Bundestag, Alice Weidel, hatte zu Beginn die zerstrittenen Lager zu einem Neuanfang und zur Einigkeit aufgefordert: „Wir sollten einen Schnitt setzen, Vergangenes hinter uns lassen, den Streit überwinden.“ Im großen Bundesland NRW würden bundesweite Wahlen entschieden. Der AfD-Landesverband dort sei mächtig und trage große Verantwortung. Die Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen hätten aufgezeigt, welches Potenzial in der AfD schlummere. „Dieses Potenzial besitzt auch die AfD in NRW.“

"Habe nichts gegen Kurzstreckenflüge"

Sorgen, das Amt des Landesvorsitzenden in NRW und das Bundestagsmandat in Berlin zeitlich nicht miteinander vereinbaren zu können, hat der neue AfD-Sprecher aus NRW übrigens nicht. „Ich habe nichts gegen Kurzstreckenflüge“, sagte er nach seiner Wahl.

Die drei neuen stellvertretenden AfD-Landesvorsitzenden dürften loyal zu Rüdiger Lucassen stehen: Matthias Helferich (Dortmund), Martin Schiller (Münster) und Michael Andreas Schild (Unna) waren seine Wunschkandidaten. Keiner von ihnen distanzierte sich inhaltlich vom radikalen „Flügel“ in der Partei. Politisch stehen sich die beiden Lager durchaus nahe. Der Streit entzündet sich eher an persönlichen Reibereien und der Frage, wie sich die Partei strategisch aufstellen sollte, um Wahlen zu gewinnen.

Der frühere AfD-Landesvorsitzende Helmut Seifen, der im Juli in Warburg zurücktrat, sieht seinen Kurs nun bestätigt. Es sei ein „hoffnungsvolles Zeichen, dass nun Menschen im Landesvorstand sind, die sich nicht als Gefolgsleute anderer Landesverbände verdingen lassen“, sagte er. Eine Spitze gegen seinen Gegenspieler Thomas Röckemann, der die Nähe zum umstrittenen Thüringer AfD-Sprecher Björn Höcke gesucht hatte.