Düsseldorf. Was für ein hartes Urteil: Kein Land lasse seine Städte beim Thema Flüchtlinge so alleine wie NRW, sagen Dezernenten aus Dortmund, Essen, Herne.
Die Sozialdezernenten von Essen, Herne und Dortmund werfen der NRW-Landesregierung vor, die Städte bei den Kosten für die Unterbringung und Integration von Flüchtlingen im Stich zu lassen. Alle Versuche, die Regierung auf die Probleme hinzuweisen, seien im Sande verlaufen. „Man läuft vor eine Gummiwand“, ärgert sich die Dortmunder Sozialdezernentin Birgit Zoerner (SPD).
Kein anderes Flächenland in Deutschland lasse seine Städte beim Thema Flüchtlinge so alleine wie NRW, sagten auch die Dezernenten Peter Renzel (Essen, CDU) und Johannes Chudziak (Herne, SPD). Die Monatspauschale des Landes von 866 Euro pro Flüchtling reiche bei weitem nicht, um die Kosten zu decken.„Sensibel und brisant“ sei die Lage, auch im Hinblick auf die Kommunalwahlen im kommenden Jahr, warnen die Sozialdezernenten aus dem Revier.
Nach drei Monaten gibt’s kein Geld mehr für „Geduldete“
Zwei große Probleme drücken die Kommunen im Zusammenhang mit den Kosten für die Integration von Flüchtlingen. Da ist zunächst die Tatsache, dass ausreisepflichtige, aber weiter „geduldete“ Asylsuchende nach nur drei Monaten nicht mehr von Land NRW finanziert werden. Die Städte bleiben auf diesen Kosten sitzen, obwohl viele dieser „Geduldeten“ jahrelang dort wohnen.
NRW ist das einzige deutsche Flächenland mit dieser Dreimonatsfrist. Bayern bediene die Kosten komplett aus der Landeskasse. Andere Länder geben den Städten für die Geduldeten genauso viel Geld wie für die anerkannten Asylbewerber oder zahlen bis zu vier Jahre für Geduldete weiter.
Ärgerlich: Beim Zuzug weiterer Flüchtlinge nach dem Verteilungsschlüssel wird die Zahl der „Geduldeten“, die schon in der Stadt leben, überhaupt nicht berücksichtigt. Bund und Land NRW täten so, „als seien die Geduldeten gar nicht da“, ärgerte sich Birgit Zoerner. In NRW leben rund 58.000 abgelehnte, aber geduldete Asylbewerber, in Essen sind es rund 2000, in Dortmund 1200. In Essen sind von den 3.500 Menschen, die nach dem Asylbewerberleistungsgesetz versorgt werden, nur 1.470 „erstattungsfähig“, also nur etwa 40 Prozent, sagte Peter Renzel.
Flüchtlingspauschale ist nach Ansicht der Städte viel zu niedrig
Das zweite große Problem: Nach dem Flüchtlingsaufnahmegesetz erhalten Städte pro Monat und Flüchtling eine Pauschale in Höhe von 866 Euro, also rund 10.400 Euro im Jahr. „Viel zu wenig sei das“, so die Dezernenten. Laut Peter Renzel müssen davon unter anderem Wohnung, Heizung, Hausrat, Betreuung, Ernährung und Gesundheitskosten bezahlt werden. „Die Kosten für Bildung und Kitas sind da noch nicht enthalten, aber die fallen natürlich an“, sagte der Essener.
Nach einem externen Gutachten aus dem Jahr 2018 für die Landesregierung ist die Pauschale, die in NRW gezahlt werde, viel zu niedrig. Sie müsse von 10.400 auf mindestens 13.500 Euro angehoben werden, und die Geduldeten müssten genauso berücksichtigt werden wie anerkannte Flüchtlinge, finden die Vertreter der Städte. Die Landesregierung solle nun „endlich die Ergebnisse des eigenen Gutachtens würdigen“.
Für die Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen leistete Düsseldorf in den vergangenen zwei Jahren jeweils einen Eigenanteil von 44 Millionen Euro. Essen musste im Jahr 2018 rund 27 Millionen Euro draufzahlen. Dortmunds Kämmerer Jörg Stüdemann (SPD) rechnete gegenüber dieser Redaktion vor, dass diese Revierstadt seit 2015 auf rund 200 Millionen Kosten sitzen geblieben sei, im vergangenen Jahr waren es dort 30 Millionen Euro.