Essen. Mit einer gemeinsamen Initiative wollen fünf Städte das nördliche Ruhrgebiet stärken. Helfen sollen Ansiedlungen für Wissenschaft und Forschung.

Gelsenkirchens Oberbürgermeister Frank Baranowski (SPD) lässt nicht locker. Für seinen Vorstoß einer neuen Universität an der Emscher hat er gewichtige Verbündete gewonnen: fünf Städte im nördlichen Ruhrgebiet haben sich zusammengeschlossen, um die Region als Wissenschaftsstandort nach vorne zu bringen. Ziel ist es, in der strukturschwachen Region, Hochschul- und Forschungseinrichtungen, Institute und wenn möglich sogar eine neue Universität anzusiedeln.

Unterzeichnet wurde die Absichtserklärung von Baranowski, Bernd Tischler, Oberbürgermeister von Bottrop, Frank Dudda, OB in Herne, Cay Süberkrüb, Landrat des Kreises Recklinghausen sowie von Daniel Schranz, OB in Oberhausen. Gemeinsam fordern sie von Bund und Land „eine regionalpolitische Initiative“, um die „Wissenschaftslandschaft spür- und messbar zu verbessern“, heißt es in dem Schreiben. Dadurch könne den „Wachstumskräfte des nördlichen Ruhrgebiets“ ein Schub verliehen und das Auseinanderdriften der Region in einen „armen“ und einen „reichen“ Gürtel gebremst werden. Junge Menschen bekämen eine Perspektive, Talente würden gehalten.

Sozialer Riss geht durch das Ruhrgebiet

Frank Baranowski (SPD), Oberbürgermeister der Stadt Gelsenkirchen, löste die Debatte um eine Emscher-Uni aus.
Frank Baranowski (SPD), Oberbürgermeister der Stadt Gelsenkirchen, löste die Debatte um eine Emscher-Uni aus. © FUNKE Foto Services | Foto: Olaf Ziegler

„Es gibt ein Revier der zwei Geschwindigkeiten“, hatte Baranowski vor einigen Monaten gesagt, als er mit der Idee einer „Emscher-Uni“ erstmals an die Öffentlichkeit ging. Die Ungleichheit zwischen dem nördlichen und dem mittleren Ruhrgebiet sei auch darin begründet, dass in der Mitte Universitäten „wie auf einer Perlenkette“ aufgereiht seien. Eine Uni ziehe Forschungsinstitute, Fördermittel, Wissenschaftler, Studenten und junge Unternehmen an. Diese Perspektive habe auch der Norden verdient, wo gerade erst die letzte Steinkohlenzeche geschlossen wurde. Baranowski: „Es wird Zeit für eine echte Lösung.“

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Der doppelte Abiturjahrgang stvºrmt die Universitvßten. Hier: Begrvºvüungsveranstaltung fvºr die Erstsemesterstudenten vor dem Audimax auf dem Gelvßnde der Ruhruniversitvßt Bochum. Bochum, Nordrhein-Westfalen, Deutschland, 14.10.2013 [ Rechtehinweis: picture alliance/JOKER ]
Von Christopher Onkelbachund Matthias Korfmann

Damals erntete Baranowski für seine Idee neben viel Zustimmung auch Kritik. Bildungsexperten führten die extrem hohe Kosten einer Uni-Gründung ins Feld sowie ein bereits jetzt ausreichend vielfältiges Angebot an Hochschulen und Instituten im Ruhrgebiet. Auch die Landesregierung ging auf Distanz, eine Entscheidung über eine Neugründung stehe derzeit nicht an, verlautete knapp aus Düsseldorf.

Eine Emscher-Universität als Krönung

Mit ihrer Absichtserklärung verleihen die fünf Städte dem Vorstoß nun Nachdruck. Gemeinsam wollen sie sich für die Entwicklung der Region stark machen. Ziel ist die „Neuansiedlung von Forschungsinstituten in einem breiten Spektrum“, wobei eine eigene Universität „die Krönung der Initiative“ wäre, wie es Ralf Güldenzopf, Planungsdezernent der Stadt Oberhausen, formuliert.

„Wissenschaft ist ein zentraler Standortfaktor“, hält Güldenzopf fest. Das nördliche Ruhrgebiet sei in dieser Hinsicht unterentwickelt. So sei Oberhausen die einzige Großstadt Deutschlands ohne eigene Hochschule. Das Argument, es gebe bereits genügend Hochschulen, lässt er nicht gelten. „Wir müssen das Ruhrgebiet insgesamt betrachten. Wir sehen einen großen Bedarf in der Region und wollen dies berücksichtigt sehen.“ Dies sei ein klares Signal an Bund und Land. Nötig sei eine gezielte Standortpolitik für das nördliche Revier.

Studie sieht weiteren Bedarf an Forschungseinrichtungen

Dabei sehen sich die fünf Rathauschefs durch eine aktuelle Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) bestätigt. Sie bescheinigt dem Ruhrgebiet und der Emscher-Lippe-Region im bundesweiten Vergleich der Regionen besonderen Nachholbedarf.

„Wichtig und richtig war der gezielte Ausbau der Hochschullandschaft“, sagte IW-Autor Klaus-Heiner Röhl der WAZ. „In diesem Bereich könnte aber viel mehr geschehen.“ Denn bezogen auf die Bevölkerungszahl sei die Zahl der Hochschulen im Revier gar nicht so groß, so Röhl. „Berechnungen zeigen: Im Ruhrgebiet arbeiten von 1000 Beschäftigten nur knapp 3,5 im Bereich Forschung und Entwicklung. Das ist weniger als die Hälfte des Bundesdurchschnitts.“

eine wichtige debatteAn diese Analyse wollen die fünf Städte anknüpfen. Nun sollen Konzepte entwickelt werden, um etwa mit Forschungseinrichtungen wie der Fraunhofer Gesellschaft sowie Hochschulen im Umfeld Projekte auf den Weg zu bringen. Auch mögliche Standorte sollen identifiziert werden. Ein erster wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer „Emscher-Uni“ sei mit dem Zusammenschluss „der Fünf“ getan.