Essen. Weil der Regionalplan Ruhr erst viel später kommt, befürchten Wirtschaft und Kommunen einen Stillstand bei der Ausweisung neuer Gewerbeflächen.

Nach dem Eklat rund um den verschobenen Regionalplan Ruhr droht dem Ruhrgebiet nun eine Hängepartie bei der Ausweisung dringend benötigter neuer Gewerbeflächen. Martin Jonetzko, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Unternehmerverbandes im westlichen Ruhrgebiet, warnte am Montag vor einem jahrelangen Planungsstillstand. „Wirtschaft und Kommunen im Ruhrgebiet brauchen Planungssicherheit – und sie brauchen dringend Industrie- und Gewerbeflächen“, so Jonetzko.

„Unkompliziert Flächen ausweisen“

Die Verzögerung der Planung dürfe keinesfalls dazu führen, dass Städte wie Duisburg oder Mülheim mit ihrer Flächenknappheit allein gelassen würden. Die Städte müssten in der Lage sein, schnell und unkompliziert Flächen ausweisen zu können – notfalls über Änderungsverfahren losgelöst vom übrigen Prozess, sagte Jonetzko.

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Die CDU im Regionalverband Ruhr (RVR) legte am Montag eine Liste laufender Planänderungsverfahren vor, die wegen der Aufstellung des neue Regionalplans Ruhr von der nach eigenen Bekunden personell knapp besetzten RVR-Verwaltung zuletzt zurückgestellt worden waren. Dazu zählen unter anderem die Flächenentwicklung auf dem ehemaligen Kraftwerk Knepper in Dortmund, eine Gewerbeansiedlung in Waltrop sowie die Projekte „New Park“ in Datteln und das Prosper-Haniel-Areal in Bottrop. Diese Änderungen am bisher geltenden Planrecht müssten angesichts des blamablen Zeitverzugs bei der Aufstellung des Regionalplans nun wieder Priorität erhalten, forderte der Chef der CDU-Fraktion im RVR-Parlament, Roland Mitschke.

Die Sorge, dass längst überfällige Flächenentscheidungen im RVR-Planungs-Wirrwarr unterzugehen drohen, ist nicht neu. Prominentester Kritiker war zuletzt Dortmunds Oberbürgermeister Ullrich Sierau (SPD), der die RVR-Spitze deshalb schon vor drei Monaten scharf attackiert. „An diesen Anträgen hängen Investitionsentscheidungen und Arbeitsplätze“, sagte Sierau damals im RVR-Verbandsausschuss.

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Die CDU im RVR erneuerte am Montag ihre scharfe Kritik an RVR-Direktorin Karola Geiß-Netthöfel und RVR-Chefplaner Martin Tönnes vom Freitag und forderte, Planungsdezernent Tönnes „unverzüglich“ von der Verantwortung für den Regionalplan zu entbinden. Fraktionschef Roland Mitschke sprach zudem von einem „Vertrauensbruch“ der Regionaldirektorin. Zu konkreten Rücktrittsforderung gegen den grünen RVR-Dezernenten und SPD-Mitglied Geiß-Netthöfel wollten sich aber weder Mitschke noch der Vorsitzende der CDU Ruhr, Oliver Wittke, durchringen. Man wolle Gesprächen innerhalb der Dreier-Koalition von CDU, SPD und Grünen im RVR-Parlament nicht vorgreifen, sagte Mitschke. In der Koalition hätten die Grünen das Vorschlagsrecht für den Planungsdezernent.

Um Schadensbegrenzung bemüht

Ohnehin scheint die RVR-CDU um Schadensbegrenzung bemüht zu sein. „Wir wollen keine verbrannte Erde hinterlassen. Der RVR muss handlungsfähig bleiben“, sagte Oliver Wittke. Forderungen nach personellen Konsequenzen sind nach RVR-Recht ohnehin schwer durchzusetzen. Weil der RVR als Kommunalverband kein Organ der NRW-Landesregierung ist, kann die Verwaltungsspitze des Regionalverbandes – anders als etwa die Regierungspräsidenten der Bezirksregierungen – nicht von der Landesregierung abberufen werden, sondern müsste von der RVR-Verbandsversammlung abgewählt werden. Dort ist die CDU zwar die stärkste Fraktion, kann aber gegen SPD und Grüne praktisch nichts durchsetzen.

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Deutlicher wurde hingegen der FDP-Landtagsabgeordnete Thomas Nückel. Der Herner forderte am Montag nicht nur den Rücktritt von Geiß-Netthöfel und Tönnes, sondern zudem die Demission gleich aller drei Fraktionschefs von CDU, SPD und Grünen im RVR-Parlament. Sie hätten sich von der Verwaltung an der Nase herumführen lassen und es zugelassen, dass die durchgrünte Verwaltung beim RVR im Regionalplanentwurf die Entwicklung von Gewerbeflächen im Ballungsraum nahezu unmöglich mache, wetterte Nückel.

Rückendeckung erhielt die RVR-Spitze von den Linken. „Die Landesregierung habe den RVR bei der Zuweisung von Planerstellen „am langen Arm verhungern lassen,“ sagte Wolfgang Freye, Fraktionschef der Linken im Ruhrparlament. Hilferufe des RVR an die Bezirksregierungen und das Land seien stets abschlägig beantwortet worden. Freye warf der RVR-CDU im Gespräch mit dieser Redaktion vor, eine „Intrige“ gegen Martin Tönnes angezettelt zu haben, um den grünen Chefplaner loszuwerden.

RVR-Direktorin weiter in Erklärungsnot

Auch auf einem anderen Gebiet gerät die RVR-Spitze wegen des Eklats weiter in Erklärungsnot. Die Bezirksregierung Arnsberg widerspricht Darstellungen von RVR-Direktorin Karola Geiß-Netthöfel, der Behörde stünde deutlich mehr Personal zur Verfügung als der RVR-Planungsabteilung mit 14 Stellen. Laut eines Behördensprechers gibt es in Arnsberg lediglich 10,2 Planstellen in diesem Bereich und nicht wie vom RVR behauptet 22. Am Freitag hatte bereits die Bezirksregierung Münster dem RVR widersprochen. Der RVR hatte mangelndes Personal als Hauptgrund für das Planungsfiasko genannt.

Der Regionalplan soll bis 2034 festlegen, wo im Revier gebaut oder Gewerbe angesiedelt werden darf. Wirtschaftsvertreter kritisieren seit Langem, der Plan weise deutlich zu wenig Gewerbeflächen aus. Mit dem Papier soll die häufig kritisierte planerische Dreiteilung des Ruhrgebiets durch die Bezirksregierungen Arnsberg, Düsseldorf und Münster nach Jahrzehnten beendet und die einheitliche Flächenplanung in die Hand des RVR gelegt werden.

Am Montag meldeten sich auch die RVR-Grünen zu Wort und schoben ihren Koalitionspartnern im Ruhrparlament, CDU und SPD, eine Mitverantwortung für die „tiefe Krise“ des RVR zu. Gleichwohl lud die Umweltpartei die anderen beiden Fraktionen zu zügigen Gesprächen ein.