Essen. Der Regionalverband Ruhr fordert das Ende der kommunalen ÖPNV-Pläne. Dazu regt der RVR verschiedene Maßnahmen an, um das Angebot zu verbessern.
Das Ruhrgebiet soll nach dem Willen des Regionalverbandes Ruhr (RVR) erstmals eine städteübergreifende Verkehrsplanung erhalten. Sie soll die bisherige Praxis rein kommunaler Nahverkehrspläne ablösen. Damit könne eine bessere Koordination des ÖPNV-Angebots sichergestellt werden, heißt es beim RVR.
Bislang haben die Kommunalparlamente bei der ÖPNV-Planung das letzte Wort. Die kommunalen Nahverkehrspläne enden dabei oftmals an den jeweiligen Stadtgrenzen, selbst wenn benachbarte Städte ein gemeinsames Verkehrsunternehmen betreiben. Im Falle der Ruhrbahn (Essen/Mülheim) hatte das zuletzt zu der absurden Situation geführt, dass die Stadt Mülheim ihr Nahverkehrsangebot aus Kostengründen massiv ausdünnen will, während Essen mit dichteren Takten auf zentralen Linien gleichzeitig genau das gegenteilige Ziel verfolgt.
Das Beharren der Städte auf kommunaler Planungshoheit im ÖPNV gilt unter Verkehrsexperten seit Jahren als großes Hindernis auf dem Weg, den Nahverkehr im Ruhrgebiet metropolentauglicher zu machen. Dass die Revierstädte Planungshoheit an den Regionalverband abgeben, ist dabei rechtlich im RVR-Gesetz verankert. „Das gilt auch ausdrücklich für den Nahverkehr“, betonte RVR-Planungsdezernent Martin Tönnes. Allerdings kann der RVR eine Umsetzung nicht anordnen. Zur Frage der Umsetzbarkeit sagte Tönnes daher: „Wir werden die Verantwortlichen immer wieder an einen Tisch holen.“
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Der regionale Nahverkehrsplan ist eines von 23 zentralen Projektideen des Mobilitätsentwicklungskonzepts, das der RVR mit Hilfe renommierter Gutachterbüros mit dem Titel „Die vernetzte Metropole Ruhr“ erarbeitet hat. „Es gibt dringenden Handlungsbedarf. Im Ruhrgebiet steht man entweder im Stau oder in vollen Zügen“, sagte RVR-Chefin Karola Geiß-Netthöfel bei der Vorstellung des 600 Seiten starken Konzeptpapiers am Montag in Essen. Das Thema Verkehr sei für die Entwicklung der Region und ihrer Lebensqualität von zentraler Bedeutung, so Geiß-Netthöfel.
Weitere Projektideen des RVR-Mobilitätskonzepts sind die Einführung eines einheitlichen Tickets für alle Verkehrmittel von Bussen bis zum Leihfahrrad, autonom fahrende Binnenschiffe auf den Ruhrgebietskanälen sowie die bessere Anbindung der zwölf Ruhrgebietskommunen ohne Schienenanschluss.
Neben einer umfassenden Stärken-Schwächen-Analyse über den Ist-Zustand der Revier-Mobilität listet das Konzeptpapier 150 Einzelvorhaben auf, die den Verkehrsfluss im größten deutschen Balllugsraum beschleunigen sollen. 23 Projektideen ragen dabei heraus. Einige von ihnen sollen auch in der vom Land angestoßenen Ruhrkonferenz ihren Niederschlag finden. Eine Übersicht:
Regionaler Nahverkehrsplan
Ganz oben auf der RVR-Wunschliste steht ein regionaler Nahverkehrsplan. Was sich bürokratisch anhört, hat es politisch in sich. Bisher obliegt der Kommunalpolitik festzulegen, welche Busse wo und wie lange fahren und welche Straßenbahnlinie gekürzt oder verlängert wird. Das gilt auch dort, wo mehrere Städte ein Verkehrsunternehmen betreiben wie Ruhrbahn oder Bogestra. In der Regel enden die Nahverkehrspläne der Kommune dennoch an der eigenen Stadtgrenze. Experten kritisieren das seit Langem. Der Fahrgastverband Pro Bahn NRW etwa betont, dass eine gemeinsame Regionalplanung zielführender und einfacher sei als die Fusion von Verkehrsbetrieben. Der RVR als Planungsbehörde des Ruhrgebiets hätte die rechtliche Möglichkeit für eine regionale ÖPNV-Planung. Voraussetzung wäre die Zustimmung der Städte. Wie realistisch diese ist? „Das Thema wird in den Kommunen intern diskutiert“, sagte RVR-Direktorin Karola Geiß-Netthöfel auf Nachfrage dieser Redaktion.
Ein Ticket für alles
Das Modelprojekt „Alles auf eine Karte - Einführung eines Tickets für alle Verkehrsmittel“ soll vom Leihfahrrad über das Car-Sharing bis hin zum Busticket sämtliche Mobiltäts-Angebote mit einem einzigen Fahrschein nutzbar machen.
Regionales Radwegenetz
Der Ausbau des regionalen Radwegenetzes ist eine Herzensangelegenheit von RVR-Planungsdezernent Martin Tönnes. Er plant ein flächendeckendes Netz insbesondere für Berufspendler. Per Radweg erreichbar sein sollen wichtigen regionalen Ziele wie Hochschulen, Einkaufszentren, Arbeitsplatzschwerpunkte und Freizeiteinrichtungen ein. Noch ist das Radwegenetz allerdings Vision. Der Ausbau würde eine dreistellige Millionensumme verschlingen. Und viel Zeit kosten: Den Radschnellweg Ruhr als zentrale Achse gibt es bislang nur als Torso.
Smart Shipping
Mit einem Pilotprojekt „Smart Shipping – Digitale Wasserstraße“ sollen auf dem dichten Kanalnetz des reviers freie Kapazitäten für Gütertransporte entstehen und Schienen und Straßen entlastet werden. Eingeflossen in das Projekt ist auch die Machbarkeitsstudie der Industrie- und Handelskammern zum autonomen Fahren von Binnenschiffen.
Keine Stadt ohne Schiene
Unter den 53 Revier-Kommunen sind zwölf Städte ohne Zugang zum Schienenverkehr, darunter acht Mittelzentren wie Herten, Bergkamen und Datteln. Untersucht werden soll eine Anbindung über bestehende Bahnstrecken, ein regionales Schnellbus-Netz oder der Neubau von Eisenbahnstrecken.
Bahnhöfe als Visitenkarte
Das Projekt könnte „Schöne Bahnhöfe“ heißen, der RVR nennt es „Stationen als Willkommensorte“. Gemeint ist dasselbe: ein modernes und sauberes Erscheinungsbild aller Bahnstationen im Revier mit entsprechender Aufenthaltsqualität. „Hier gibt es viel Luft nach oben“, so RVR-Chefin Geiß-Netthöfel.