Berlin. CDU und SPD sind erleichtert, dass ihre Ministerpräsidenten in dem AfD-Ansturm standgehalten haben. Sie können nun kurz durchatmen.

Willy Brandt fühlte sich ziemlich einsam. Zumindest die 3,40 Meter hohe und 500 Kilogramm schwere Bronzestatue in der SPD-Parteizentrale. Wo sonst um 18 Uhr Hunderte Genossen gebannt auf die Prognosebalken starrten, herrschte am Sonntag fast gähnende Leere.

Wie bereits bei früheren Landtagswahlen gab es vorsorglich keine Party. Keine Bratwürste, kein Pils, keinen Sekt. Der Vorstand wollte nicht, dass die TV-Kameras lange Gesichter einfangen. Bei der CDU im Adenauer-Haus dagegen gab es für die Parteifreunde Würstchen und Spreewaldgurken.

Dabei lief es für die Sozial­demokraten vor allem in Brandenburg besser als befürchtet. Ministerpräsident Dietmar Woidke wehrte auf den letzten Metern den AfD-Ansturm auf Platz 1 ab. Da das parallel in Sachsen auch CDU-Regierungschef Michael Kretschmer gelang, können die Parteispitzen der großen Koalition in Berlin voraussichtlich erst einmal durchatmen.

SPD behauptet sich in Brandenburg

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    Wahlen in Sachsen und Brandenburg: GroKo mit blauen Auge davon gekommen

    Mit Blick auf die in den vergangenen Wochen und Monaten befürchteten AfD-Triumphe sind die Ergebnisse zwar für Union und SPD kein wirklicher Rückenwind. Die GroKo-Mannschaft ist aber sprichwörtlich mit einem „blauen Auge“ (das ist die AfD-Parteifarbe) davongekommen. Das ist keine Kleinigkeit und könnte sich noch als wertvoll herausstellen.

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    Im Herbst steht für die Regierung die Halbzeitbilanz an. Für alle Beteiligten, vorne weg Kanzlerin Angela Merkel, steht viel auf dem Spiel. Im Dezember entscheidet ein SPD-Parteitag, ob die GroKo weitermachen kann. Da dürfte Merkel am Sonntag durchaus geleichtert gewesen sein, dass bei den Genossen dank des Brandenburger Last-Minute-Erfolgs vorübergehend ein bisschen Ruhe im Karton ist.

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    Der Absturz in Sachsen in die Einstelligkeit dagegen ist für die SPD ein moralischer Schlag in die Magengrube. Wenigstens könnte die bisher in Dresden als Juniorpartner mit der CDU regierende Partei in einer Kenia-Koalition mit den Grünen gebraucht werden. SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil sagte, er betrachte den Abend mit „sehr gemischten Gefühlen. In Brandenburg habe Woidke, der in Umfragen teils schon auf Platz vier abgestürzt war, es geschafft, die Spitze zu halten. Viele Brandenburger hätten dafür gesorgt, dass nicht „die Rechtsextremen“, sondern Woidke vorne liege.

    So gewinnt die kommissarische SPD-Parteiführung um Thorsten Schäfer-Gümbel, Manuela Schwesig und Malu Dreyer zumindest die nötige Ruhe, um den Mitgliederentscheid für die kommende Doppelspitze anzuschieben. Denn parallel mit den ersten Hochrechnungen um 18 Uhr endete die Bewerbungsfrist für den SPD-Vorsitz.

    Acht Teams haben es geschafft. Favorisiert sind die Duos Olaf Scholz/Klara Geywitz, Boris Pistorius/Petra Köpping und Norbert Walter-Borjans/Saskia Esken.

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    CDU-Generalsekretär Ziemiak: „Freude und Enttäuschung“

    Bei der CDU hingegen lautete der Tenor: Noch mal davongekommen. Verluste in beiden Bundesländern, aber keine Katastrophe. Man bleibt die stärkste Kraft in Sachsen und verweist eine starke AfD nach Wählerstimmen auf den zweiten Platz. In Brandenburg allerdings konnte Spitzenkandidat Ingo Senftleben nicht die ersehnte Wechselstimmung produzieren.

    Er fuhr Verluste ein. CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak sprach am Abend von „Freude und Enttäuschung“. Das Ergebnis in Sachsen sei vor allem dem engagierten Wahlkampf von Michael Kretschmer zu verdanken. Er habe den klaren Auftrag zur Regierungsbildung. In Brandenburg habe sich die CDU dagegen nicht ausreichend Gehör verschaffen können.

    Kretschmer- Das freundliche Sachsen hat gewonnen

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      Es sind die Wahlen Nummer drei und vier unter dem Vorsitz von Annegret Kramp-Karrenbauer. Im Mai musste die CDU-Chefin das historisch schlechte Ergebnis bei der Europawahl verantworten. In Bremen war man damals zwar überraschend stärkste Kraft geworden. Eine Regierung war dann allerdings gegen die CDU gebildet worden, mit einer rot-grün-roten Koalition. Die Angst vor einer rot-rot-grünen oder grün-rot-roten Mehrheit im Bund, die gegen die Union gebildet werden könnte, ist ein Schreckgespenst.

      Die CDU ringt weiter um den Kurs von Parteichefin AKK

      „Gerade wissen wir nicht, ob wir uns um die Merkel-Mitte oder die Werteunion bemühen sollen. Bislang ist das ist kein entschlossener Kurs“, so die Erklärung eines Mitglieds der Parteiführung. Die CDU hatte unter der ehemaligen Parteivorsitzenden, Kanzlerin Angela Merkel, viele Wähler in der Mitte gewonnen. In der Folge der Flüchtlingskrise allerdings auch viele an die AfD verloren. AKK zeigte klare Kante, als sie sich zwei Wochen vor der Wahl klar vom

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      distanzierte.

      Das Mitglied der sogenannten Werte­union tourte durch Sachsen, vertrat rechtspopulistische Positionen jenseits der CDU. Doch die Einlassungen von AKK kamen nicht gut an bei den Wahlkämpfern im Osten. Sie fürchteten, die Unentschlossenen an die AfD zu verlieren. Und doch, kurz vor der Wahl brach auch der unermüdlich kämpfende sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer mit Maaßen. Kretschmer hielt es durch, eine Zusammenarbeit mit der AfD konsequent auszuschließen. Das hat ihm in der CDU viel Respekt eingebracht.

      AKK hatte in den vergangenen Tagen verstärkt Wahlkampf gemacht – in Bernau, in Leipzig, in Potsdam. Für die CDU-Vorsitzende und Verteidigungsministerin gibt es nun eine kurze Atempause. Der Fokus wird sich erst mal auf die SPD und ihre Kandidatenkür richten. Die CDU wird sich darauf konzentrieren, ein schlüssiges Klimakonzept vorzustellen, das man gemeinsam mit der SPD am 20. September verabschieden will. Und versuchen, die internen Debatten um AKK möglichst einzudämmen. Einen wirklichen Gewinn, so sind sich im Adenauer-Haus alle einig, haben die Wahlen am Sonntag aber der Demokratie gebracht: eine höhere Wahlbeteiligung in den beiden Bundesländern.