Düsseldorf. NRW-Innenminister und Konzern stimmten sich 2018 vor dem größten Polizeieinsatz der Landesgeschichte eng ab. Bislang wurde genau das bestritten.

NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) hat erstmals enge Absprachen mit dem Energiekonzern RWE im Vorfeld der Räumung des Hambacher Forsts im vergangenen Jahr eingeräumt. Damit rückte der 67-Jährige von seiner bisherigen Darstellung ab, wonach es solche Gespräche im Umfeld des größten Polizeieinsatzes der jüngeren Landesgeschichte nicht gegeben habe.

„An zwei Besprechungen mit der Unternehmensleitung von RWE habe ich auch persönlich teilgenommen. Diese haben am 16. Juli und am 15. August 2018 im Innenministerium in Düsseldorf stattgefunden“, erklärte Reul am Mittwoch. Beim August-Termin empfing der Innenminister sogar RWE-Vorstandschef Rolf-Martin Schmitz persönlich und erörterte mit ihm die geplante Rodung des Hambacher Forsts für den Braunkohle-Tagebau. Dass er es bislang anders dargestellt habe, so Reul, „war also nicht richtig und tut mir leid“.

Reul hatte noch in der vergangenen Woche im WDR-Fernsehen auf die Frage, ob es im Umfeld der Räumung Kontakte mit RWE oder die Bitte um Unterstützung gegeben habe, das glatte Gegenteil erklärt: „Ne, überhaupt nicht, da habe ich auch gar keinen Kontakt gehabt mit RWE.“

Die Räumung der Baumhäuser sollte nie etwas mit der Rodung zu tun haben

Die Brisanz der Aussagen liegt darin, dass die Landesregierung stets bestritten hatte, mit der Räumung des Hambacher Forstes von staatlicher Seite die geplante Rodung vorzubereiten. Man sei „nicht Erfüllungsgehilfe von RWE“, hatte Reul immer wieder betont. Vielmehr wurden damals Brandschutzmängel in den Baumhäusern der Waldbesetzer als alleiniger Grund für den massiven Polizeieinsatz angeführt. Es gehe um den Schutz von Leib und Leben der Hütten-Bewohner. Mit der lange genehmigten, aber unpopulären Abholzung des 200 Hektar großen Restwaldes im rheinischen Braunkohlerevier, die erst das Oberverwaltungsgericht am 5. Oktober 2018 völlig überraschend stoppte, sollte das Regierungshandeln nie etwas zu tun haben.

„Unser Vertrauen in den Willen der Landesregierung zu Transparenz ist mittlerweile schwer erschüttert“, erklärte die parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, Verena Schäffer, am Mittwoch nach den neuen Reul-Einlassungen. SPD-Fraktionsvize Jochen Ott sprach von einer „Falschaussage“ des Ministers und einem „beispiellosen Vorgang“. Reuls Glaubwürdigkeit habe nur noch eine Laufzeit von wenigen Tagen, kritisierte Ott.

Ein Jahr nach der Räumung sind im Hambacher Forst zwar wieder mindestens 60 neue Baumhäuser von zum Teil militanten Aktivisten entstanden. Bislang sieht die Landesregierung jedoch von einem neuerlichen Einschreiten wegen Brandschutzes oder anderer Rechtsgründe ab - offenbar weil nach dem zwischenzeitlichen „Kohlekompromiss“ eine Rodung ohnehin nicht mehr wahrscheinlich ist.