Dortmund/Essen. Forscher: Demografie und Klimawandel wird in NRW oft nicht zusammengedacht. Das birgt Risiken für die Gesundheit – und die Vereinsamung.
Vielen Städten in NRW fehlt ein Konzept zur Begrenzung von Hitzestress bei älteren Menschen. In der Stadtplanung stelle man sich zu wenig auf die Bedürfnissen von Senioren bei häufigeren Hitzeperioden ein, beklagen Wissenschaftler und Seniorenvertreter.
Klimatische Veränderungen wie anhaltende Hitzeperioden stellen die alternde deutsche Bevölkerung vor Herausforderungen. Dass es dabei nicht nur um gesundheitliche Risiken, sondern auch um gesellschaftliche geht, stellt eine Studie des Dortmunder Instituts für Landes- und Stadtentwicklungsforschung (ILS) und der Goethe-Universität Frankfurt am Main dar. „Eine soziale Isolation aufgrund von Hitze ist nicht auszuschließen“, sagt Studienautorin Kerstin Conrad.
Von Trinkwasserspendern bis Hitzeplänen
Das Problem: Senioren würden den Gang nach draußen bei heißem Wetter häufig meiden. „Die Alltagsmobilität ist aber ein Schlüsselfaktor für autonomes Altern“, so Conrad. Die Städte müssten sich mehr darauf einstellen, wie man ältere Menschen bei Temperaturen jenseits der 30 Grad am gemeinschaftlichen Leben teilhaben lassen kann.
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Die ILS-Studie listet hierfür mehrere Maßnahmen auf: Von Trinkwasserspendern in öffentlichen Gebäuden bis Shuttle-Services für Senioren. In Kassel hat man als kostenloses Beratungsangebot ein Hitzetelefon eingeführt, das ältere Menschen in den Sommermonaten über Hitzegefahren aufklärt. Im rheinland-pfälzischen Speyer gibt es einen Hitzeplan für heiße Sommertage, der Alternativen zu besonders sonnengefluteten Bereichen in der Stadt vorschlägt
An Rhein und Ruhr gibt es laut Conrad dagegen wenig Anstrengung, derartige Projekte umzusetzen. In Städten wie Stuttgart, die aufgrund ihrer geografischen Lage schon jetzt mehr von Hitze betroffen sind, mache man sich mehr Gedanken. „Die Folgen des Klimawandels sind für das Ruhrgebiet noch ein wenig weiter weg.“
Mehr Klimawandel in die Pflegeausbildung
„Die Kommunen in NRW verknüpfen den Klimawandel noch nicht so sehr mit dem demografischen Wandel, das haben viele noch nicht so sehr auf der Agenda“, beobachtet auch Pflegewissenschaftler Markus Wübbeles, derzeit Professor an der Bochumer Hochschule für Gesundheit. Zwei seiner Vorschläge: Ausreichend Erholungsflächen für Ältere oder Abholdienste für Senioren, um sie auch bei heißem Wetter zu Ärzten oder Supermärkten zu bringen.
Wübbeler hält es zudem für notwendig, dass sich auch die Pflegeausbildung mehr auf Herausforderungen des Klimawandels einstellt. Wie kann man Hitzestress bei Hochrisikopatienten vorbeugen? Gibt es medizinische Technik, die hitzeempfindlich ist? „Es ist notwendig, solche Fragen in den Lehrplänen mehr zu beantworten“, verlangt der Pflegewissenschaftler. „Da gibt es viel Luft nach oben.“
Schulen für Klimaanpassung
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Außerdem, so Wübbeler, müsse es in der Ausbildung mehr darum gehen, wie mit Personalengpässen umgegangen werde, die bei Extremwetter verstärkt auftreten könnten. In einer Studie des Umweltbundesamtes geben 53 Prozent der Pflegekräfte an, dass es bei Extremwetter zu Personalausfällen kommt. Ein Drittel gibt an, dass es bei Extremwetter zur Gesundheitsschädigung der Mitarbeiter kommt.
In der Studie des Dortmunder Instituts für Landes- und Stadtentwicklungsforschung hingegen werden sogenannte „Klimanpassungsschulen“ als Möglichkeit genannt, um Ärzte und Pflegepersonal mehr auf für die Gesundheitsrisiken durch das sich wandelnde Klima zu sensibilisieren. Erprobt wurde so ein Weiterbildungsangebot bisher an der Charité in Berlin. Hier ging es bereits um Fragen wie: Welche neuen Allergien oder Infektionskrankheiten können sich durch Tiere und Pflanzen ausbreiten, die sich bei heißem Wetter wesentlich wohler fühlen?
Hitzewelle: Über tausend Tote
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Die Landesseniorenvertretung NRW fordert Land und Kommunen dazu auf, mit Blick auf die Klimaveränderungen mehr Rücksicht auf die Bedürfnisse der Älteren zu nehmen. „In vielen Innenstädten verschwinden die Geschäfte, alles wird zentralisiert. Gerade wenn es heiß ist, braucht es aber kurze Wege“, so Barbara Eiffert vom Seniorenverband.
Die Hitzewelle 2018 führte zu mehr als tausend Toten. Das Robert-Koch-Institut schätz, dass es im vergangenen Sommer infolge von Hitze zwölf Todesfälle pro 100.000 Einwohner gab. Senioren gehören zur Risikogruppe, weil die Körpertemperatur schlechter regulieren können. Das Durstgefühl nimmt ab und die Fähigkeit zu schwitzen verringert sich, wodurch wiederum die Wärmeabgabe begrenzt ist. Der Kreislauf kann schneller zusammenbrechen.