Düsseldorf. . Sigmar Gabriel schließt sich der kritischen Initiative „SPDpur2030“ an. Ex-Familienministerin Christina Kampmann wirft ihm „Spaltung“ vor.

In der SPD gärt es weiter. Die in NRW gegründete kritische Initiative „SPDpur2030“, die sich gegen einen befürchteten Linksruck der Bundespartei stemmt, hat einen neuen Forderungskatalog vorgelegt und einen prominenten Mitstreiter gefunden: Der frühere SPD-Chef Sigmar Gabriel gehört zu den Erstunterzeichnern des Papiers. Er stellt sich damit hinter eine Bewegung, die unter ihrem ersten Namen „Die wahre SPD“ schon viel Staub aufgewirbelt hat. SPD-Landtagsfraktionschef Thomas Kutschaty hält sich derweil die Option offen, für den SPD-Bundesvorsitz zu kandidieren. In den kommenden Tagen will er sich dazu erklären. Eine mögliche Partnerin für eine „Doppelspitze“ hat er schon. Ihren Namen nennt Kutschaty aber nicht.

Zuletzt war es ruhiger um die SPD geworden, aber am Freitag brach der Richtungs- und Personalstreit wieder brachial hervor. Die in NRW gegründete kritische Initiative „SPDpur2030“ präsentierte nicht nur einen neuen Forderungskatalog, sondern überraschend auch einen prominenten Unterstützer: Ex-SPD-Chef Sigmar Gabriel stellte sich an die Seite jener, die vor einem Linksruck der Partei warnen. Praktisch zeitgleich kündigte die „links“ stehende Flensburger Oberbürgermeisterin Simone Lange an, erneut für den SPD-Vorsitz kandidieren zu wollen. Mit Alexander Ahrens, dem Oberbürgermeister von Bautzen, möchte Lange eine „Doppelspitze“ bilden.

„Zerrissenheit“ und „ewige Kämpfe“

„Aufbruch durch Klarheit“ steht über einem Papier, das neben Sigmar Gabriel auch der frühere NRW-SPD-Chef Michael Groschek, der Herforder Bürgermeister Tim Kähler als Sprecher von „SPDpur2030“ und Bürgermeister aus NRW, dem Saarland und Schleswig-Holstein unterschrieben haben. Darin steht, dass in der SPD alles auf den Prüfstand gehöre: „Ohne Tabus, ohne Denkverbote, ohne Angst.“Die SPD sei zuletzt nicht an ihren vielen Vorsitzenden gescheitert, sondern an der unbeantworteten Frage, was sie überhaupt will. Die Mängelliste, die Gabriel und die anderen Kritiker aufschreiben, ist lang: „Zerrissenheit“ und „ewige Kämpfe“ verhinderten einen Aufbruch der kriselnden SPD. Nun müsse „Klarheit“ her, nicht nur zur Frage, wer die Partei führen soll, sondern auch zu Kurs und Programm. „Alle, die jetzt Führungsverantwortung übernehmen wollen, sollten ihre Kandidatur inhaltlich begründen“, fordert die Initiative.

Gabriel, Groschek und die anderen wollen, dass der künftige SPD-Parteivorstand höchstens zur Hälfte aus Berufspolitikern besteht. Bürgermeister und Landräte müssten in der SPD auf allen Ebenen mehr Verantwortung übernehmen. Schließlich solle die SPD nur noch drei stellvertretende Parteivorsitzende haben statt sechs. Außerdem fordert die Initiative „Null Toleranz“ gegenüber Kriminellen und Parallelgesellschaften.

„Schluss mit dem Abkanzeln“

Die Einmischung der Altvorderen Gabriel und Groschek nervt viele in der NRW-SPD. „Die älteren Herren sollen aufhören, von der Seitenlinie reinzugrätschen“, hieß es gestern im Landtag. Ex-NRW-Familienministerin Christina Kampmann, die im Juli als Erste eine Kandidatur für den SPD-Vorsitz angemeldet hatte, kritisierte Gabriel und die Initiative „SPDpur2030“ gegenüber dieser Zeitung scharf: „Sozialdemokraten haben sich lange genug gegenseitig abgekanzelt. Wir wissen, wohin uns diese Art von Umgang - für die Sigmar Gabriel wie kein zweiter steht - hingeführt hat“, sagte die frühere NRW-Familienministerin. „Wir brauchen einen fairen und respektvollen Umgang miteinander, statt weiterer Spaltungen“, so Kampmann weiter.

Die Landtagsabgeordnete reibt sich an Aussagen der Initiative zur Migrationspolitik. In dem Positionspapier steht zum Beispiel: „Zum Land der guten Hoffnung müssen die Heimatländer werden.“ Deutschland sei ein weltoffenes Land, das keine Abschottung brauche, betonte Kampmann. „Die so genannte SPD pur muss zur Kenntnis nehmen, dass Einwanderung volkswirtschaftlich vernünftig ist, wenn wir auch im demografischen Wandel unseren Wohlstand halten wollen“, sagte sie. Es stünde Sigmar Gabriel „gut zu Gesicht, das zur Kenntnis zu nehmen statt die SPD weiter zu spalten.“

Kutschaty vor der Kandidatur?

Hart ging auch ein anderer Kandidat für den Parteivorsitz, Karl Lauterbach, mit der Initiative und mit Sigmar Gabriel ins Gericht. „Ich halte die Gründung von Unter-SPDen für falsch. Wir brauchen jetzt keine interne Spaltung und neue Retro-Gliederungen“, sagte Lauterbach dem „Kölner Stadtanzeiger“.

SPD-Landtagsfraktionschef Thomas Kutschaty, der sich eine Kandidatur für den Parteivorsitz offen hält, wollte sich nicht in den Streit einmischen. Kutschaty möchte in den nächsten Tagen erklären, ob er für die Nahles-Nachfolge kandidiert. Bei einer SPD-Veranstaltung in Lüdenscheid hatte der Essener durchblicken lassen, dass er bereits eine Partnerin für eine „Doppelspitze“ gefunden habe. Sie komme nicht aus NRW, einen Namen nannte er allerdings nicht. Kutschaty zögert noch mit der Kandidatur, weil er nicht weiß, mit wem er sich dann messen müsste. Sollte noch ein „Schwergewicht“ antreten, das noch dazu einen ähnlichen Linkskurs fährt wie er, dürfte Kutschaty verzichten.