Dortmund. Beim Sommerkongress von “Fridays for Future“ werden „Kriminelle“ zu Helden. Der 20. September 2019 soll ein besonderer Aktionstag werden.
„Power to the people“, rufen hunderte Kinder und Jugendliche im Revierpark Wischlingen. Tag zwei des „Fridays for Future“-Sommerkogresses beginnt mit weckenden Sprechchören. „Hambi bleibt“, rufen sie in die Morgensonne, und „RWE, was ist das? Scheiße!“.
Tiefer kann ein Graben kaum sein als der zwischen den rund 1400 jungen Klima-Aktivisten, die sich in dieser Woche in Dortmund treffen, und der Politik. Monatelang stellte Schwarz-Gelb in NRW immer wieder heraus, dass es sich bei den Besetzern des Hambacher Forstes um Straftäter handele. Hier aber feiern sie die Retter des „Hambi“ als Helden im Kampf fürs Klima. „Indigo“, zum Beispiel, eine 23-Jährige, die zwei Jahre im Hambacher Forst lebte, zählt zu den Stars auf dem Sommerkongress.
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„Der NRW-Innenminister hat die Menschen im Forst mit Terroristen gleichgestellt. Was habe ich getan? Ich habe auf einer alten Eiche gelebt in einem Haus, das ich mir selber aus Brettern gebaut habe“, erzählt „Indigo“. Die „Fridays“-Aktivisten spenden ihr am Nachmittag Applaus bei einer Podiumsdiskussion. Viele der Orte, an denen im Revierpark Workshops angeboten werden, sind, wie sie hier sagen, nach „Bösewichtern“ benannt. Da gibt es das „Seehofer Asyltourismus-Büro“, „Scheuers Mautstation“ und die „Pinkwart-Piazza“, benannt nach dem NRW-Wirtschaftsminister.
Jennifer (17) aus Mülheim: "Die Politik nimmt Klimaschutz nicht ernst."
Wie gesagt, der Ruf der politischen Akteure ist im jungen Publikum nachhaltig ruiniert. „Sie machen nichts, sie nehmen Klimaschutz nicht ernst“, sagt Jennifer Asamoah (17) aus Mülheim an der Ruhr. Was ihr Mut macht: „Klima ist dennoch zum Thema Nummer 1 geworden.“
Die Szenerie erinnert ältere Parkgäste an ihre Ostermarsch-Zeit in den 1980ern oder sogar an die Bilder von „Woodstock“ '69. Mädchen und Jungen, einige deutlich unter 15, hocken am Morgen auf Decken und Jacken vor der Bühne. Butterbrotdosen und Kaffeebecher stehen auf dem vom abendlichen Regen noch aufgeweichten Boden. Einige Jugendliche tragen Stirnbänder, viele von ihnen ernähren sich bio oder vegan, alle sind friedlich. Der Strom auf dem Gelände ist „öko“, die Toiletten im Zeltlager produzieren Kompost. Ein Junge nimmt den AfD-Jargon auf die Schippe: „linksgrünversifftergemüsefressender Gutmensch“ steht auf seinem Hemd.
"Meine Generation hat echt verkackt", sagt Eckart von Hirschhausen
Auf der Bühne im Park machen ältere Protagonisten der Klimabewegung Stimmung. Eckart von Hirschhausen ist gekommen, der Arzt und Entertainer, der die "Scientists for Future" mit gegründet hat. „Die Klimakrise ist die größte Gesundheitskrise der Menschheit“, ruft er und: „ Meine Generation hat echt verkackt.“ Die ganz Alten, sagt Hirschhausen, hätten nachhaltiger gelebt als alle, die danach kamen.
„Mein Großvater hat nie einen Fernflug gebucht, und er trug seine Adidas-Schuhe 30 Jahre lang.“ Der Mediziner stellte sich hinter eine Hauptforderung der "Fridays"-Aktivisten: eine Abgabe auf den Ausstoß von CO2. "Wir zahlen Gebühren für Müll und für Abwässer. Wir dürfen aber nicht meinen, wir können alles in die Luft pusten, ohne dass es etwas kostet", so Hirschhausen.
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„Danke“, ruft die Klimaforscherin Karen Wiltshire von „Scientists for Future“ der Menge zu. „Nach 30 Jahren Forschung wisse sie, dass CO2 ein Problem sei, aber keiner habe das bisher hören wollen. „Ihre Bewegung ist wunderbar, das baut mich auf“, lobt die Professorin und rät: "Wir müssen unsere Gier abschalten." Wiltshire ist von ihrem Wohnort Sylt "zugeschaltet" und berichtet von Klimasündern am Meer. "Auf Sylt gibt es Menschen, die fahren 100 Meter mit dem SUV zum Strand. Nicht, weil sie böse sind, sondern weil sie es nicht besser wissen." "Fridays" müsse aufklären, in Deutschland und mit Partnern in anderen Ländern.
Am Freitag ziehen die Aktivisten durch die Dortmunder City
Sogar einer der dienstältesten deutschen Natur- und Umweltschützer kam am Donnerstag nach Wischlingen: Michael Succow (78), schon in der DDR als Ökologe bekannt, lobte die Jugend und ihren Willen, "mit der uns anvertrauten Natur auszukommen".
An diesem Freitag zeigt sich „Fridays for Future“ in der Dortmunder City. Laut wollen sie sein, bunt friedlich, und sie haben einen Traum: Dass bald nicht mehr nur Schüler freitags fürs Klima streiken, sondern auch Berufstätige. Der 20. September soll so ein Streiktag werden, überall im Land. „Erweitert den Protest. Erhöht den Druck“, rät „Indigo“. Der „Hambi“ sei nur der Anfang gewesen.