Düsseldorf. . Leila (16), Jason (14) und Marlon (26) stehen bei „Fridays for future“ ganz vorne. Nun trafen sie Andreas Pinkwart (FDP) zum Streitgespräch.
Die Aussicht aus der 20. Etage des NRW-Wirtschaftsministeriums erlaubt frei Blicke auf die Extreme der Energieerzeugung. Von hier oben aus gesehen stehen RWE-Braunkohlekraftwerke am Horizont gleich neben gewaltigen Windparks. Ein perfekter Ort für einen Streit über die Energiewende. NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) empfängt hier drei junge Aktivisten der „Fridays for future“-Bewegung. Es ist eine heikle Begegnung, bei der die Luft knistert.
Demonstrierende Schüler und Studenten treffen einen Minister, der mitverantwortlich ist für Art und Tempo der Energiewende. Da gibt schnell ein Wort das andere. Kostprobe: Pinkwart sagt, NRW verabschiede sich zügiger als andere Länder von der Kohleverstromung und sei besonders ambitioniert beim Klimaschutz. Marlon Philipp (26), Student aus Dortmund, wirft ein: „NRW ist beim Energieverbrauch spitze, aber bei den erneuerbaren Energien liegt es hinten.“ Der Graben zwischen den Streitenden ist tief. Immerhin: Sie nehmen sich ernst. Pinkwart die jungen Gäste, die Gäste den Politiker.
Jason: „Was da mit der Welt passiert, ist zum Weinen.“
„Was da mit der Welt passiert, ist zum Weinen“, findet Jason Michalek (14). Er hat die „Fridays for future“-Ortsgruppe in Oberhausen gegründet und sorgt sich um den Zustand des Planeten. Der Zorn und die Angst der Jugend hätten aber keine Chance, sich in Politik zu verwandeln. „Bei uns gibt es zwar ein Jugendparlament. Dort kann man aber nur einen Vorschlag für einen Antrag an den Umweltausschuss machen. Mit Mitsprache hat das nichts zu tun,“ ärgert er sich. Jason warnt davor, das Problem zu unterschätzen: „Einen zweiten oder dritten Hammersommer wie den 2018 können wir nicht wegstecken.“
Leila Belkhiria (16) aus Duisburg spricht von einem „Generationenkonflikt“ ums Klima: „Viele Ältere denken, sie seien selbst nicht von den Folgen betroffen.“ Aber auch wir sind Bürger, betont die Schülerin. „Und wir Jüngere werden beim Klimaschutz außen vor gelassen, obwohl gerade wir es sind, die die Fehlentscheidungen spüren werden.“ Jason glaubt übrigens nicht an einen Konflikt der Generationen: „Meine Großeltern sind über 90, meine Eltern über 50, und sie finden den Protest der Jüngeren gut.“
Der Minister findet, NRW handele beim Klima vernünftig
Leila und die anderen dringen auf ein frühes Aus für die Kohle: „Wir fordern das Abschalten aller Kohlekraftwerke bis spätestens 2030. Die Klimakrise ist längst da. Es bleibt wenig Zeit zur Korrektur.“ Marlon Philipp, der Student, verweist auf das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung: „Das DIW sagt, der Ausstieg aus der Kohle ist bis 2030 sozialverträglich möglich.“
Andreas Pinkwart wehrt sich gegen den Vorwurf, das Land zögere beim Kohleausstieg:„Bis 2030 gehen nach dem Willen der Kohlekommission zwei Drittel der heutigen Braunkohle- und Steinkohlekraftwerke vom Netz. NRW geht voran. Das ist ein sehr vernünftiger Fahrplan, und wir werden darauf achten, dass er versorgungssicher und sozialverträglich umgesetzt wird.“ Die Politik könne nicht das Ende einer rentablen Industrie beschließen und die Beschäftigten einfach ins Bergfreie fallen lassen.
Windrad-Abstand erhitzt die Gemüter
Unerhört finden Marlon, Jason und Leila, dass die Regierung einen 1500-Meter-Abstand von Windrädern zur Wohnbebauung möchte. Das sei ein fatales Signal. Pinkwart hält 1500 Meter für nötig, weil nur so die Akzeptanz der Bürger für Windenergie zu erhalten sei. Im Landkreis Paderborn fühlten sich manche Bürger von Windrädern regelrecht umzingelt.
„Wer die Energiewende will, der muss die Menschen mitnehmen“, sagt der FDP-Mann. Erneuerbare Energien lösten nicht immer nur Begeisterung aus. „In NRW gibt es 200 Initiativen, die gegen Windräder demonstrieren. Vielerorts in Deutschland wehren sich Anwohner gegen neue Trassen für Strom aus Windkraft“, so Pinkwart. Die „einseitige Verengung der Debatte“ auf die Windenergie sei schlecht. Solarenergie, Geothermie und Biomasse müssten genauso intensiv gefördert werden.
Kann der Markt das Klima retten?
Als Klimaschützer sehen sich alle, die jungen Leute wie der Minister. Doch während die „Fridays for future“-Aktivisten dazu raten, für den Klimaschutz die Notbremse zu ziehen („Konsumverzicht ist eine Option“), hat Pinkwart etwas anderes im Sinn. „Wir werden nur über Innovationen Fortschritte machen“, sagt er. Nur auf der Grundlage der jahrzehntelangen Erfahrung seien Photovoltaik- und Windkraftanlagen heute so leistungsfähig. Der Liberale wünscht sich aber „mehr Nachdruck“ beim Anwenden des Wissens. „Mein Eindruck ist, wir sind in der Umsetzung zu träge.“
Klimaschutz durch Erfindergeist und Marktwirtschaft? Marlon Philipp glaubt nicht daran: „Sie hatten 30 Jahre Zeit, den neoliberalen Weg zu gehen. Mehr Klimaschutz hat das nicht gebracht“, wirft er dem Minister vor. Jason Michalek kritisiert, dass für Kohle und Atomstrom stets genug Geld da gewesen sei. Heute müsse das Geld in erneuerbare Energien fließen.
Und Leila Belkhiria stellt klar, dass „Fridays for future“ nicht eine Sekunde ans Aufgeben denke. „Wir fordern eine Lösung. Und wenn die Politik nichts unternimmt, dann protestieren wir weiter.“