Düsseldorf. Einfach alle Autofahrer zusätzlich zur Kasse bitten? Von solchen CO2-Steuer-Ideen hält der Ministerpräsident nichts. Er will einen „großen Wurf“.

NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) lehnt Benzinpreiserhöhungen mit dem Ziel, den CO-Ausstoß zu senken, ab. „Einfach die Mineralölsteuer zu erhöhen, ist nicht effizient. Der SUV-Fahrer zahlt auch locker 50 Cent mehr“, sagte er am Montag im Landtag. Er widersprach damit der Einschätzung der so genannten Wirtschaftsweisen. Dieser Sachverständigenrat der Bundesregierung hält eine CO2-Steuer auf Sprit und Heizöl für den schnellsten Weg zu den Klimazielen für das Jahr 2030.

„Sie können morgen Mineralöl um zehn Cent verteuern, aber die Vorstellung, dass dadurch der CO2-Ausstoß gesenkt wird, ist irreal“, meinte Laschet. An der Ökosteuer, die Benzin teurer gemacht hat, könne man sehen, wie wenig solche Preiserhöhungen umweltpolitisch wirkten. Die Ökosteuer liege auf der Mineralölsteuer, werde aber für die Rente verwendet. Laschet forderte stattdessen einen „großen Wurf“ zum Erreichen der Klimaziele, eine große „ökologische Steuerreform“. Er schlägt vor, den CO2-Ausstoß zu bepreisen und konkrete Anreize zu setzen, um den Ausstoß zu senken. Dies könne über ein Zertifikatesystem mit festgelegten CO2-Summen erreicht werden.

Eine große ökologische Steuerreform müsse gleichzeitig CO2 bepreisen und die normalen Bürger finanziell entlasten. Laschet sieht darin sogar die Chance, die teure Ökostrom-Umlage (EEG) und die Stromsteuer komplett abzuschaffen: Ohne EEG-Umlage und Stromsteuer „wird jede Mieterin in einem Mietshaus im Ruhrgebiet substanziell entlastet“. Auch mittelständische Unternehmen, zum Beispiel in Südwestfalen, würden dadurch enorm profitieren. Bund und Länder müssten dieses „gerechte“ Steuersystem in diesem Sommer erarbeiten, so Laschet. Es müsse auch Anreize bieten für die energetische Gebäudesanierung, zum Umstieg auf Elektrofahrzeuge und einen besseren Nahverkehr.

„Wir sind Vorreiter bei der Energiewende“, behauptet Laschet

„Wir sind in NRW Vorreiter bei der Energiewende, wir reduzieren bis 2030 die CO2-Emissionen so stark wie kein anderes Land, aber NRW wird auch das soziale Gewissen der Energiewende sein“, sagte Laschet bei seiner letzten Pressekonferenz im Landtag vor der Sommerpause.

Der Aachener wurde auch mit Fragen nach einer aktuellen Forsa-Umfrage konfrontiert, die ihn auf der Beliebtheits-Rangliste der Ministerpräsidenten auf dem drittletzten Platz verortet. Hinter Laschet liegen nur Reiner Haseloff (Sachsen-Anhalt, CDU) und Michael Müller (Berlin, SPD). Winfried Kretschmann (Baden-Württemberg, Grüne) ist der Umfrage zufolge der beliebteste Ministerpräsident, gefolgt von Daniel Günther (Schleswig-Holstein, CDU), Stephan Weil (Niedersachsen, SPD) und Peter Tschentscher (Hamburg, SPD).

Unter dem Eindruck der „Fridays for future“-Demonstrationen und den Rufen nach einem früheren Braunkohleausstieg wollte Armin Laschet am Montag einen betont grünen Eindruck hinterlassen. Ausgerechnet das Industrieland NRW sei in Deutschland der „Vorreiter bei der Energiewende“, behauptete der CDU-Politiker zum Beginn der parlamentarischen Sommerpause. Den Ruf eines ökologisch rückständigen Politikers und Kohle-Lobbyisten will er abschütteln. Er sieht sich selbst als Klimaschützer.

Kohleausstieg ab sofort

„Ich will erreichen, dass wir noch in dieser Wahlperiode die ersten Braunkohle-Kraftwerke im Rheinischen Revier abschalten können“, sagte Laschet vor der Landespressekonferenz. Die Wahlperiode endet im Jahr 2022. Die Kohlekommission hatte ein Abschalten erster Kraftwerke erst ab dem Jahr 2022 vorgeschlagen. Laschet forderte die Bundesregierung auf, zügig mit den Energiekonzernen über Entschädigungen zu verhandeln. „Da ist schon viel Zeit vergangen. Wir brauchen hier Klarheit, Planungssicherheit und ein Signal an die jungen Leute, die auf den Straßen demonstrieren, dass das Thema ernst genommen und nicht auf die lange Bank geschoben wird.“

NRW werde bis zum Jahr 2030 die klimaschädlichen CO2-Emissionen um 70 Prozent reduzieren. Damit werde das bevölkerungsreichste Bundesland die bisherigen Klimaziele deutlich übererfüllen.

Tadel für die SPD-Europapolitik

Kurz vor der Abstimmung über die von den Staats- und Regierungschefs für das Amt der EU-Kommissionspräsidentin vorgeschlagenen Ursula von der Leyen (CDU) erhöhte Armin Laschet den Druck auf die deutschen Sozialdemokraten. Sie lehnen von der Leyen ab.Laschet mahnte: Der Brexit drohe und damit auch Nachteile für die Wirtschaft in NRW. „In dieser Phase brauchen wir eine handlungsfähige EU-Kommission. Deshalb wundert mich das Verhalten der SPD, die gegen die deutsche Kandidatin mit Dossiers, Pamphleten und Falschmeldungen Stimmung macht“, wetterte Laschet. Es sei falsch, in dieser Zeit eine europäische Krise heraufzubeschwören, und eine Frau, die immer für Europa gekämpft habe, so anzugehen. Von der Leyen würde Deutschland an der Spitze der EU-Kommission sehr nützen.

Spöttisch brachte der NRW-Ministerpräsident in diesem Zusammenhang zwei Sozialdemokraten aus NRW ins Gespräch, die sich (unabhängig voneinander) für die SPD-Führung bewerben: „Ich kann nur an die künftigen SPD-Vorsitzenden Christina Kampmann und Karl Lauterbach appellieren, dass sie ihr ganzes politisches Gewicht in Berlin einbringen.“ Die beiden sollten mit den SPD-Europaabgeordneten sprechen, um zu verhindern, dass eine deutsche Kommissionspräsidentin an 16 Stimmen der SPD aus Deutschland scheitere.

Ein Nein der Sozialdemokraten zu von der Leyen wäre nach Laschets Einschätzung ein „unfreundlicher Akt“. Er sollte aber die Arbeit der Groko in Berlin nicht beeinträchtigen.

Warnung vor der AfD

Der Eklat im Landtag mit protestierenden Bergleuten ist für den Ministerpräsidenten ein mahnendes Beispiel für Populismus. In der vergangenen Woche hatten Dutzende Kumpel auf der Tribüne des Landtags lautstark protestiert. Vorangegangen war ein AfD-Solidarantrag für Bergleute, die bisher noch nicht in Arbeit vermittelt wurden. Inzwischen wird vermutet, dass unter den Demonstranten auch „falsche Bergleute“ mit Verbindung zur Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands (MLPD) waren.„Dass sich MLPD-Leute mit der AfD verbünden, um so etwas zu inszenieren, dass womöglich sogar türkischstämmige Bergleute der AfD applaudieren, das ist das, was man Populismus nennt“, sagte Laschet. Vielleicht seien diese Tumulte ein Vorgeschmack auf das, was passieren könnte, wenn sich der völkisch-nationalistische „Flügel“ um den Thüringer AfD-Politiker Björn Höcke auch in der westdeutschen AfD durchsetzen sollte.

Gleiche Bezahlung für Lehrer?

Bisher ist immer noch nicht klar, ob NRW weiter an den ungleichen Einstiegsgehältern für Lehrer festhält. Grundschullehrer verdienen zum Beispiel weniger als Pädagogen an den Gymnasien. Laschet deutete aber eine Lösung an: „Wir sind dazu im Gespräch mit Hessen, Rheinland-Pfalz und Niedersachsen, um zu verhindern, dass es aus Gehaltsgründen zur Abwanderung in Nachbarländer kommt.“ Bessere Arbeitsbedingungen in anderen Ländern wären nicht gut. Niedersachsen plant bereits eine Anpassung der Einstiegsgehälter. Das könnte angehende Grund-, Haupt- und Realschullehrer aus NRW dazu bewegen, sich dort auf Stellen zu bewerben.