Düsseldorf. NRW weist die Forderung aus Bayern nach einem Kraftwerks-Ende schon 2030 zurück. Im Hintergrund geht es um handfeste Länder-Interessen.
Im Streit um einen noch früheren Ausstieg aus der Kohleverstromung ist die NRW-Landesregierung auf Kontrakurs zum bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) gegangen. NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) warnte davor, das gerade erst gefundene Zieldatum 2038 als gesellschaftlichen Konsens schon wieder aufzukündigen. Söder hatte gefordert, schon bis 2030 aus der Kohle auszusteigen.
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Der bayerische Ministerpräsident stelle Zeitpunkt und Strukturmittel infrage, die von der überparteilich besetzten Kohlekommission der Bundesregierung Anfang des Jahres vorgeschlagen worden seien, kritisierte Pinkwart. In dem Kompromiss war die schrittweise Abschaltung aller deutschen Kohlekraftwerke bis 2038 vereinbart worden. Insgesamt will der Bund in den kommenden 20 Jahren dafür die Braunkohle-Reviere im Rheinland und Ostdeutschland mit insgesamt 40 Milliarden Euro fördern. Allein 15 Milliarden sollen nach NRW fließen.
Bayern profitiert nicht von den 40 Milliarden Euro Bundesmitteln
Auch der Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) wies Söders Versuche zurück, „den mühsam gefundenen Kohlekompromiss“ aufzukündigen. NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) hatte zuletzt immer wieder darauf hingewiesen, dass schon das Erreichen des Ausstiegs 2038 energiepolitisch, wirtschaftlich und sozial „alles andere als trivial“ sei. Über Entschädigungszahlungen für die Kraftwerksbetreiber, den Neuzuschnitt der Braunkohle-Areale sowie die Zukunft des Hambacher Forsts ist zwischen der Bundesregierung und den Energiekonzernen noch gar nicht abschließend verhandelt.
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Söder hatte in einem Interview mit dem „Münchner Merkur“ wörtlich gesagt: „Sind wir ehrlich: Die deutschen Klimaziele sind bis 2030 nur zu erreichen, wenn wir den Kohleausstieg massiv beschleunigen." Deutschland müsse „eigentlich im Jahr 2030 aussteigen“, so Söder. Zugleich stellte er den Sinn der 40-Milliarden-Kompensationszahlungen an die Kohle-Bundesländer in Frage stellte. NRW-Wirtschaftsminister Pinkwart sieht allenfalls Spielraum für einen auf 2035 vorgezogenen Ausstieg, sofern es mehr Tempo beim Ausbau der Netze und der erneuerbaren Energien, mehr Speicher und schnellere Genehmigungen gebe.
Derweil erreichten die Proteste der Anti-Kohle-Bewegung am Wochenende einen neuen Höhepunkt. Im Tagebau Garzweiler stürmten mehrere Hundert Klimaschützer aus ganz Europa das RWE-Betriebsgelände. Das Bündnis „Ende Gelände“ erklärte, eine für die Kraftwerksversorgung wichtige Kohle-Bahn über Stunden blockiert zu haben. RWE stoppte zwischenzeitlich aus Sicherheitsgründen vier von sechs Produktionseinheiten und Baggern. Mehrere Polizisten wurden verletzt. Auf Seiten der Aktivisten wurde in Sozialen Netzwerken eine überharte Gangart der Ordnungshüter beklagt.