Warburg. Der AfD-Parteitag endet vorzeitig mit einem Paukenschlag. Von zwölf Vorstandsmitgliedern treten neun zurück. Drei klammern sich ans Amt.

Die NRW-AfD ist an der Spitze seit diesem Wochenende weitgehend kopflos. Der Abrechnungs-Parteitag der verfeindeten Lager endete am Samstag in beispiellosem Chaos und Zerwürfnis.

In nur sieben Minuten stellten am Abend neun von zwölf Vorstandsmitglieder ihre Ämter zur Verfügung, unter ihnen der bisherige AfD-Landessprecher Helmut Seifen. Die drei verbliebenen Vorstände, darunter die "Rechtsaußen"-Politiker Thomas Röckemann und Christian Blex, klammerten sich hingegen an ihre Ämter. Abwahl-Anträge, die sich gegen die Drei richteten, scheiterten an der erforderlichen Zweidrittelmehrheit.

Damit stehen zumindest vorerst bis zum nächsten regulären Parteitag im Dezember Männer an der Spitze der Landes-AfD, die dem völkisch-nationalistischen Lager um den Thüringer AfD-Chef nahe stehen.

Tumultartige Szenen auf dem AfD-Parteitag

In teilweise tumultartigen Szenen hatten viele Delegierte den Landesvorstand aufgefordert, komplett zurückzutreten, um den Weg für einen echten Neuanfang freizumachen. Sprüche wie "Jagt alle vom Hof, die mit Pattex an ihren Stühlen kleben", wurden gerufen. Pfiffe und Buh-Rufe richteten sich immer wieder gegen den bisherigen Vorstand.

Der Parteitag endete außerplanmäßig schon am Samstag, obwohl ursprünglich geplant war, ihn am Sonntag fortzusetzen. Eine knappe Mehrheit der Delegierten zog per Abstimmung einen Schlussstrich. Nun steht die Frage unbeantwortet im Raum: Wie sollen drei statt zwölf Vorstände ein halbes Jahr lang die Landes-AfD führen?

Abrechnung zwischen den verschiedenen Lagern in der AfD

Die völlig zerstrittene NRW-AfD suchte am Wochenende in Warburg einen Weg aus ihrer Führungskrise. Das Treffen an der NRW-Grenze zu Hessen geriet aber zu einer erbitterten Abrechnung zwischen den Gegnern in der Partei. Die beiden AfD-Landessprecher Helmut Seifen und Thomas Röckemann vertreten unterschiedliche Lager. Seifen wird zu den gemäßigten Kräften in der AfD gezählt, Röckemann kommt aus dem völkisch-nationalistischen "Flügel" der AfD und steht dem Thüringer AfD-Rechtsaußen Björn Höcke nahe.

Seifen wollte sich von vornherein nicht wieder zum Vorsitzenden wählen lassen und hoffte vergeblich darauf, dass auch seine Vorstands-Rivalen Röckemann und Christian Blex von den Delegierten aus dem Landesvorstand gewählt werden. Seiner Meinung nach wollen die Rechtsaußen in der Landespartei die NRW-AfD dem Einfluss der völkischen Nationalisten aus Thüringen ausliefern. Sie seien "willfährige Gefolgsleute landesfremder Herren", rief Seifen. Die Delegierten sollten es "nicht zulassen, dass der größte Landesverband, die NRW-AfD, zu einem Satelliten-Landesverband" werde. Der rechtsextreme "Flügel" ziehe von Parteitag zu Parteitag, um Lügen und Gerüchte zu verbreiten. Von dieser Spaltung seien zahlreiche AfD-Landesverbände bereits "infiziert".

Misstrauen und Intrigen

Röckemann und Blex handelten nicht im Sinne der NRW-AfD. "Ihre Loyalität gilt in erster Linie dem Flügel", sagte Seifen.

Misstrauen und Intrigen hätten die Vorstandsarbeit in der NRW-AfD zuletzt überschattet, beklagte Seifen. Über soziale Netzwerke werde durch Vertreter des Flügels "Müll" über die Partei verbreitet. Seifen beklagte eine "gewalttätige Art des Diskutierens" auch von Teilen des Landesvorstands. "Wir brauchen Menschen", die die ausufernden Missstände im Land deutlich benennen, ohne andere zu verunglimpfen", sagte er.

Parteichef: "Ich habe die Eier, das auch durchzuziehen"

Für Thomas Röckemann ist der Parteitag in Warburg im Grunde überflüssig. An Rücktritt denkt er trotz der tiefen Spaltung des AfD-Landesvorstands nicht."Ich habe die Eier, das, was ich angefangen habe, auch durchzuziehen", behauptete er. Die Amtsmüden um Helmut Seifen sollten ruhig gehen. "Ich freue mich darauf, die freien Plätze mit guten Leuten zu besetzen." Souverän der Partei sei allein die Basis und nicht der Vorstand. Ohne Parteitag können die freien Plätze aber nun nicht besetzt werden.

"Wir haben zwei Kapitäne, und beide steuern in unterschiedliche Richtungen" ,erklärte frustriert ein Delegierter. Mehrere Redner schlugen schon früh vor, den gesamten Landesvorstand abzuwählen, um einen "kompletten Neustart" zu ermöglichen. Buh-Rufe, Pfiffe und Applaus begleiteten viele Redebeiträge.

"Hass ist keine Meinung": Demo vor der Stadthalle

Vor der Stadthalle demonstrierten am Mittag etwa 120 AfD-Gegner, vor allem junge Menschen aus dem Kreis Höxter. Sie trugen Plakate mit Aufschriften wie "Hass ist keine Meinung" oder "In Geschichte nur gepennt".