Düsseldorf. Mehr als jeder zweite Zehnjährige kann laut DLRG nicht richtig schwimmen. Die Landesregierung will nun diesem gefährlichen Trend entgegenwirken.

Wenn Anne Hill am Montagmorgen vom Beckenrand des Freizeitbads „Düsselstrand“ ihre 4. Klasse beobachtet, ist der Lehrerin der „Ferdinand-Heye-Grundschule“ aus Düsseldorf-Gerresheim der Stolz anzumerken. Fast alle Kinder werden im Sommer zumindest mit dem Seepferdchen-Abzeichen auf die weiterführenden Schulen wechseln. Das ist in Nordrhein-Westfalen längst nicht mehr die Regel. Laut DLRG kann inzwischen mehr als jeder zweite Zehnjährige nicht schwimmen.

In Gerresheim hat das Lehrerkollegium vieles anders gemacht als im Rest des Landes. Obwohl der Lehrplan für Grundschulen nur ein Schuljahr lang mindestens 30 Minuten Wasserzeit für die Kinder vorsieht, hat die „Ferdinand-Heye-Grundschule“ mit viel Engagement und Koordination die Kinder gleich vier Jahre lang im Schwimmen unterrichtet - zum Teil mit drei Aufsichtspersonen parallel. Schon ab Klasse 1 wurde in der offenen Ganztagsbetreuung (OGS) eine Wasser-AG angeboten. So lernten sogar Zuwanderer-Kinder, die kaum Vorkenntnisse hatten, ihre Bahnen zu ziehen.

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Die Landesregierung will mit einem neuen „Aktionsplan Schwimmen lernen in Nordrhein-Westfalen“ künftig die Nichtschwimmer-Quote deutlich senken. „Schüler beherrschen oft nicht bis zum Ende der 4. Klasse das Schwimmen“, sagte Schul-Staatssekretär Mathias Richter (FDP) am Montag. Die Landesregierung werde in den Lehrplänen einen neuen Standard des „sicheren Schwimmens“ festschreiben, der so auch mit der Kultusministerkonferenz (KMK) verabredet sei: Demnach soll jedes Kind am Ende der Grundschulzeit einen Sprung ins tiefe Wasser beherrschen, sich 15 Minuten über Wasser halten und 200 Meter in einer Lage nach Wahl absolvieren können. „Das muss der Anspruch sein, denn Schwimmen können ist lebenswichtig“, sagte Richter.

Ab sofort werden die Landeszuschüsse für Ferienkurse erhöht

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Dahinter steht die Erfahrung, dass es in NRW kaum verlässliche Daten über die sichere Schwimmfähigkeit der Kinder gibt. Den Erfahrungen von DLRG und Grundschullehrern, denen zufolge ein Großteil der Zehnjährigen nicht über Seepferdchen-Niveau hinaus kommt, stehen häufig Aussagen der Eltern und die Selbsteinschätzung der Kinder entgegen. Das Schulministerium will nun erstmals im Jahr 2022 die Schwimmleistungen systematisch erheben.

Mit verschiedenen Maßnahmen sollen Engpässe im Schwimmkurs-Angebot beseitigt werden. So kündigte Sport-Staatssekretärin Andrea Milz (CDU) an, die Landeszuschüsse für Ferien-Angebote ab sofort von 250 auf 350 Euro pro Kurs zu erhöhen. Der Eigenanteil der Eltern soll maximal 10 Euro pro Kurs betragen. In den vergangenen zehn Jahren hatte das Land bereits knapp 3800 sogenannter Ferien-Kurse unterstützt, die Dritt- bis Sechstklässlern innerhalb von zwei Wochen das Schwimmen beibringen sollen.

Überdies will Milz gemeinsam mit Badbetreibern, Kitas, Vereinen und Kommunen einen „Schwimm-Assistenzpool“ ausbauen, um Aufsichtspersonen für Kurse zu vermitteln, Fortbildungen für Erzieher anzubieten sowie mehr Wasserzeiten für Lehrangebote zu gewinnen. „Wir sind alle gemeinsam gefordert, die Schwimmfähigkeit unserer Kinder zu verbessern“, sagte Milz.

Neue Aufmerksamkeit für das Thema soll eine neue „Woche des Schulschwimmens“ bringen, die erstmals vom 1. bis 5. Juli in Essen stattfindet. Dabei können alle Schulen das Bewegen im Wasser über den Schwimmunterricht hinaus durch tägliche Wasserzeiten in den Bädern der Stadt intensiv fördern.

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Im vergangenen Jahr hatte der DLRG bundesweit einen starken Anstieg der Badetoten registriert und davor gewarnt, dass Deutschland zum „Land der Nichtschwimmer“ werden könnte. Als besondere Risikogruppe gelten Flüchtlinge, die in ihren Heimatländern nicht richtig Schwimmen gelernt haben, und Gefahren an Badeseen häufig falsch einschätzen.