Essen/Bottrop. Der Geschäftsführer von Innovation City Bottrop, Burkhard Drescher, kritisiert scharf, dass immer mehr Städte den „Klimanotstand“ ausrufen.
Dass immer mehr Städte in Nordrhein-Westfalen den Klimanotstand ausrufen, findet Burkhard Drescher empörend. Statt zunächst inhaltslose Appelle zu formulieren, sollten sich die Kommunen lieber daran machen, mit Hilfe der Bürger ihre Stadtquartiere aktiv klimagerecht umzubauen, sagte der Geschäftsführer der Klima-Initiative Innovation City Bottrop. Der Begriff Klimanotstand sei „höchstgradig kontraproduktiv“, so Drescher.
Herr Drescher, warum kritisieren sie die Initiativen einiger Kommunen, den Klimanotstand auszurufen?
Drescher: Weil der Begriff Notstand negative Assoziationen weckt. Das birgt die Gefahr, dass mit Klimaschutz Enthaltsamkeit und Not verbunden wird, obwohl das Gegenteil der Fall ist. Klimaschützende Maßnahmen erhöhen die Lebensqualität, schaffen Arbeitsplätze und volkswirtschaftlichen Fortschritt.
Ist es nicht sinnvoll, auf mehr Klimaschutz zu dringen?
Sicher, aber man sollte den Menschen keine Angst machen, sondern ihnen Mut geben, ihre Häuser energetisch zu sanieren und aktiv etwas für den Klimaschutz zu tun. Klimaschutz ist eine Chance für die Städte. Ich bin radikal dagegen, den Begriff Notstand zu verwenden.
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Ist die Ausrufung des Klimanotstands falsch?
Ich kritisiere die entsprechenden Kommunen. Sie sollten besser klimagerechten Stadtumbau betreiben und ihren Bürgern vermitteln, dass es etwas bringt, die Städte umzugestalten. Haus für Haus, Quartier für Quartier. Nochmal: Klimaschutz steigert die Lebensqualität. Das ist unser Leitfaden bei Innovation City - und dann höre ich etwas von Notstand. Das bringt mich verbal auf die Barrikaden.
Halten Sie die Initiativen für Symbolpolitik?
Die Ausrufung des Klimanotstands, ohne konkrete Inhalte damit zu verknüpfen, ist ein Akt der politischen Selbstbefriedigung. Wenn der Begriff nicht gefüllt wird, hat das keinerlei Auswirkungen auf das Klima. Die Städte müssen ganzheitlich klimagerecht umgebaut und für die Klimafolgen gerüstet werden. Wir bei Innovation City wissen, was man tun kann und wie es wirkt.
Fehlt den Städten dazu der politische Wille oder das Geld?
Es mangelt nicht an Geld. Auch in Bottrop gibt es Förderprogramme für die Bürger, aber sie umfassen nicht die gesamten Investitionen, sondern setzen kleine Anreize. Das überzeugt die Menschen, weil es sich am Ende für sie rechnet.
Was können die Städte im Ruhrgebiet von Bottrop lernen?
Man kann unsere Maßnahmen auf weitere Städte übertragen. Wir stellen in 17 Ruhrgebiets-Kommunen und 20 angeschlossenen Quartieren unter Beweis, dass der Energieverbrauch und damit der klimaschädliche Ausstoß von Kohlendioxid signifikant gesenkt werden kann. In den Quartieren ist zum Beispiel das Potenzial für Photovoltaik-Anlagen so groß, dass man zweimal den gesamten Stromverbrauch decken könnte. Je nach Verbrauch haben sich die Investitionen nach sechs bis zehn Jahren amortisiert. Danach verdient man an der Anlage. Das überzeugt die Bürger.
Welche Bilanz ziehen Sie nach knapp zehn Jahren Innovation City?
Wir werden unser Ziel erreichen, in Bottrop bis Ende 2020 die CO2-Emissionen zu halbieren. In den angeschlossenen 20 Quartieren leben 200.000 Einwohner, in den nächsten drei Jahren können wir dort beim Heizen 575.000 Megawattstunden einsparen, das entspricht zum Beispiel 270.000 Ölfässern. Beim Stromverbrauch lassen sich 16.900 Megawattstunden sparen. Insgesamt werden dadurch 300.000 Tonnen CO2 weniger produziert. Um diese Menge zu kompensieren, wären 300 Quadratkilometer Wald nötig. Kurzum: Unsere Analysen und Vorschläge zeigen, wie viel Potenzial im Ruhrgebiet steckt. Klimaschutz ist möglich, man muss es nur machen. Und zwar von unten. Die Vorlage ist da.