Essen. . Seit Monaten tobt ein Streit um den Regionalplan Ruhr. Es geht um die Zahl der Gewerbeflächen. Der Regionalverband Ruhr sucht nun das Gespräch.
Trotz andauernder Kritik an der Zahl ausgewiesener Gewerbeflächen im neuen Regionalplan Ruhr dringen der Regionalverband Ruhr (RVR) und kommunale Spitzenpolitiker auf eine rasche Umsetzung der ersten einheitlichen Flächenplanung im Revier. „Es ist wichtig für die Region, dass wir den Regionalplan möglichst schnell bekommen“, sagte RVR-Direktorin Karola Geiß-Netthöfel. Auch Bottrops Oberbürgermeister Bernd Tischler (SPD) mahnte zur Eile. „Wir brauchen eine pragmatische Lösung, keine weitere Verzögerung.“ Am Regionalplan hingen wichtige Investitionsentscheidungen in den Revierstädten.
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Seit Monaten tobt ein heftiger Streit um den neue Regionalplan Ruhr. Ruhrwirtschaft und CDU-Politiker aus dem Revier werfen dem Regionalverband Ruhr vor, wirtschaftliche Belange bei seiner ersten einheitlichen Flächenplanung fürs Ruhrgebiet zugunsten von Umwelt- und Naturschutz vernachlässigt zu haben. Angeblich weise das Papier in seiner vorliegenden Form viel zu wenig Gewerbeflächen aus und bedrohe damit die wirtschaftliche Entwicklung des Reviers. „Dieser Plan taugt nichts“, resümierte jüngst spitz der Chef der Ruhr-CDU und Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, Oliver Wittke.
Der Regionalverband wies die Berechnungen der Kammern und Wirtschaftsverbände stets als falsch zurück. Allerdings dämmert dem RVR mittlerweile, dass dem Regionalplan die Zeit wegläuft. Denn die CDU-Fraktion rückt als Mehrheitsbeschafferin in der RVR-Verbandsversammlung ebenfalls nicht ab von ihrer Kritik am Entwurfspapier der RVR-Planer.
Sorge vor Sankt-Nimmerleinstag
Die Gefahr wächst, dass der Plan es nicht mehr vor der Kommunalwahl im Herbst 2020 durch die politischen Gremien schafft. Weil dann wahrscheinlich zahlreiche neue Abgeordnete ins Ruhrparlament rücken, müsste die politische Debatte um den 2400-Seiten-Entwurf völlig neu aufgerollt werden. Zeithorizont: Sankt-Nimmerleinstag.
Die Verbandsspitze um Regionaldirektorin Karola Geiß-Netthöfel und RVR-Planungsdezernent Martin Tönnes will die Kuh deshalb schnell vom Eis holen. Man werde jetzt noch einmal das Gespräch mit den Wirtschaftsvertretern suchen, kündigte Geiß-Netthöfel am Freitag an. Nicht alles in dem Plan sei ja „in Stein gemeißelt“, hieß es. Planung sei immer ein dynamischer Prozess.
Insbesondere wolle man den Kammern und Wirtschaftsverbänden noch einmal darlegen, dass der Regionalplan sehr wohl genügend neue Gewerbegebiete ausweise. Der RVR geht von 5400 Hektar an Reservefläche für Industrie und Gewerbeansiedlungen aus – mehr als doppelt so viel wie von den Kammern berechnet.
Die RVR-Direktorin verwies gleichwohl auf den „sehr intensiven Beteiligungsprozess“ im Vorfeld der Entwurfsplanung, der auch und gerade mit den Kammern und Wirtschaftsverbänden geführt worden sei.
Auch Bottrops Oberbürgermeister Bernd Tischler (SPD) konnte sich diesen Seitenhieb auf die Kritiker nicht verkneifen. Die „Diskussion über dieses sperrige Thema“ sei ungewöhnlich offen und intensiv gewesen. Tischler, der auch Vorsitzender des RVR-Planungsausschusses ist, mahnte alle Beteiligten zur Eile. „Es ist wichtig für unsere Region, dass der Regionalplan schnell Gesetzeskraft erlangt“, sagte Tischler. Das sei die übereinstimmende Meinung auch der anderen Rathauschefs. Die Kommunen seien auf eine gültige Planung angewiesen. „Daran hängen wichtige Investitionsentscheidungen“, sagte der OB. In Bottrop etwa ein großes Bauvorhaben für Sozialwohnungen.
Als weiterer Bremsklotz könnten sich geplante Änderungen des übergeordneten Landesentwicklungsplans (LEP) erweisen. Neue LEP-Vorgaben, etwa solche zur Aufstellung von Windrädern und die Ausweisung weitere 300 Hektar Kiesabbauflächen am Niederrhein, müssen in den Regionalplan eingearbeitet werden. Das dürfte ein neues Beteiligungsverfahren auslösen.
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Der bisherige Zeitplan des RVR sieht vor, dass der Regionalplan im Herbst 2020 noch vor der Kommunalwahl verabschiedet werden kann. Die LEP-Vorgaben sind in diesen Ablauf bereits eingerechnet. Ende Februar lief das öffentliche Beteiligungsverfahren aus. Insgesamt gab es 5000 Einwendungen, so Planungsdezernent Tönnes. Die überwiegende Mehrzahl der Einsprüche sei von Bürgern, Unternehmen, Parteien und Initiativen gekommen. Die Hälfte der Beschwerden kam allein aus dem Kreis Wesel. Dort treibt die von der örtlichen Wirtschaft herbeigesehnte Ausweisung der zusätzlichen Kiesabbauflächen die Bürger auf die Barrikaden.
Der Regionalplan legt bis 2034 fest, wo im Revier gebaut oder Gewerbe angesiedelt werden darf und wo Grünzüge gesichert werden sollen. Er beendet das jahrzehntealte Hineinregieren mehrerer Planungsbehörden ins Revier.