Düsseldorf. Die Verstaatlichungsfantasien des Juso-Chefs machen einen eigentlich müden Landesparteitag zur erfolgreichen Selbstfeier als politische Mitte.
Eigentlich sah Armin Laschet am Samstagnachmittag einem schwierigen Landesparteitag entgegen. Die Europawahl-Kampagne hat drei Wochen vor dem Finale kaum gezündet, die Umfragewerte der Union sind mau. Recht kurzfristig wurde zum Parteitag in ein Düsseldorfer Flughafen-Hotel geladen, damit EVP-Spitzenkandidat Manfred Weber (CSU) wenigstens für eine Stippvisite die rund 650 Delegierten beehren kann. Und dann drohte da ja auch noch die öffentliche Verabschiedung von EU-Urgestein Elmar Brok, den der CDU-Landesvorstand vor einigen Wochen gegen Laschets ausdrücklichen Willen nicht wieder aufgestellt hatte.
Die Europawahl als Entscheidungsschlacht für die politische Mitte
Auch interessant
Doch wenn man glaubt, es geht nicht mehr, kommt irgendwo ein Kevin her. Die jüngsten Verstaatlichungsfantasien von Juso-Chef Kühnert gaben vielen in der NRW-CDU endlich wieder das Gefühl, dass die auf Parteitagen übliche Beschwörung von demokratischer Mitte und sozialer Marktwirtschaft doch nicht nur liturgischen Charakter hat. Laschet erkannte das emotionale Potenzial von „Kombinats-Kühnert“, wie die Boulevardpresse den Juso-Chef bereits getauft hat. So kolorierte der Ministerpräsident den Europawahlkampf gewissermaßen als Entscheidungsschlacht für die Mitte. Auf der einen Seite die Nationalisten und Populisten, die das Friedensprojekt EU abschaffen wollten. Auf den Straßen in Plauen und Duisburg marschierten schon wieder Neonazis, die ohne Scham Hassparolen brüllten, die „fast Deckungsgleich zu 1933“ seien, so Laschet. Und jetzt auch noch ein Sozialismus-Rückfall der staatstragenden SPD, mit der man im Bund koaliert.
In diesem Umfeld fiel es dem Landeschef leicht, seine CDU als Bewahrerin des Erbes von Konrad Adenauer und Helmut Kohl zu motivieren. An solchen Lagerfeuern wärmen sich eigentlich müde Parteitage mit einem nur schmalen Antragsbuch gern. Da sich auch die Spitze der NRW-SPD nicht klar von den Sozialismus-Thesen des Juso-Chefs distanziert hatte, rief Laschet den Delegierten zu: „Nein, wir brauchen kein neues Wirtschaftsmodell, wir wollen die soziale Marktwirtschaft und werden sie gegen alle verteidigen, die sie in Frage stellen.“
Verstaatlichung? Laschet erinnert an die SPD und ihre WestLB-Geschichte
Kühnerts Vorstoß, große deutsche Autokonzerne wie BMW zu verstaatlichen, konterte der NRW-Regierungschef mit der bissigen Erinnerung an die skandalumwitterte und am Ende zerschlagene Landesbank WestLB: „Es gibt keine Bank, die Sozialdemokraten so ruiniert haben wie die WestLB.“ Hinweise führender Sozialdemokraten aus Berlin, man solle Kühnert als Chef einer Partei-Nachwuchsorganisation nicht zu ernst nehmen, ironisierte Laschet unter Hinweis auf den einstigen Juso-Vorsitzenden und späteren Bundeskanzler Gerhard Schröder: Auf die Theorie, „dass man als Juso so redet und am Ende bei Gazprom landet“, sei als turbokapitalistischer Lernprozess kein Verlass.
Auch interessant
Auch EU-Urgestein Brok, der sich in einem emotionalen Moment des Parteitags mit brüchiger Stimme bei seiner NRW-CDU für jahrzehntelange Unterstützung bedankte, richtete zur Feier des Tages den Kompass an Kühnert aus. Die Union müsse stets die Balance zwischen wirtschaftlicher Wettbewerbsfähigkeit und sozialem Ausgleich wahren: „Diese Balance macht die Kevin Kühnerts k.o.“, so Brok. Selbst Stargast Weber, der Nachfolger von Jean-Claude Juncker als EU-Kommissionspräsident werden will und dann auf Augenhöhe mit den Trumps und Putins dieser Welt verhandeln würde, lederte gegen den Berliner Langzeitstudenten Kühnert: „Das ist kein Ausrutscher. Das Denken in sozialistischen Theorien ist tief in der SPD verankert.“