Die kruden Sozialismus-Thesen des Juso-Chefs helfen der NRW-CDU bei der Selbstvergewisserung und finden bei der NRW-SPD erstaunlich viel Beifall.

Der deutsche Anwärter auf den Posten des EU-Kommissionspräsidenten, Manfred Weber, mag sich bei seiner Stippvisite in die Heimat am Wochenende gewundert haben. Wo ihn der europaweite Wahlkampf aktuell auch hinführt, diskutiert der CSU-Mann die Rolle Europas im rasanten globalen Wandel. Digitalisierung. China. Migration. Nordkorea. Klima. Doch worüber spricht Deutschland? Über die Verstaatlichungsfantasien des Berufsjugendlichen Kevin Kühnert.

Man könnte das Fabulieren des Juso-Chefs über volkseigene Betriebe im 30. Jahr des Mauerfalls unhistorisch nennen oder darüber schmunzeln, dass der wortflinke Berliner Langzeitstudent ja selbst nicht über allzu viel Erfahrung in der Privatwirtschaft verfügt. Doch die einst mächtige Arbeiter- und Industrie-SPD in NRW klatscht Kühnert sogar verhalten Beifall. Die Suche nach einem „neuen Wirtschaftsmodell“ soll in der vierterfolgreichsten Industrienation der Welt das Leiden der SPD an sich selbst erträglicher machen. Und der in den Mühen der Ebene angekommene CDU-Ministerpräsident Laschet nutzt dankbar die Gelegenheit, seine Partei als Hüterin der politischen Mitte und sozialen Marktwirtschaft gegen das „BMW in Staatshand“-Gerede abzugrenzen. Ein bisschen emotionale Selbstvergewisserung tut halt gut. So richtet sich der politische Kompass an Kevin Kühnert aus. Wohl dem Land, dass sich das drei Wochen vor der Europawahl leisten kann.