Essen. Der neue Regionalplan soll eine jahrzehntelange Dreiteilung im Ruhrgebiet beenden. Doch nun wird der Plan des RVR selbst zum Zankapfel.
Die Verabschiedung der seit Jahrzehnten ersten einheitlichen Flächenplanung für das Ruhrgebiet droht sich zu verzögern. Zwar ist das öffentliche Beteiligungsverfahren für den Entwurf zum neuen „Regionalplan Ruhr“ Ende Februar fristgemäß beendet worden. Doch Beobachter gehen davon aus, dass in den über 4000 eingereichten Einwendungen und Stellungnahmen erhebliches Konfliktpotenzial über die künftige Flächenpolitik im Ruhrgebiet schlummert. Die ursprüngliche Aufstellung des Plans noch vor der Kommunalwahl 2020 sei somit gefährdet.
Regionalplanung hat Gültigkeit bis 2034
Der Regionalplan legt bis 2034 fest, wo im Revier gebaut oder Gewerbe angesiedelt werden darf. Wirtschaftsvertreter kritisieren seit Langem, der Plan weise deutlich zu wenig Gewerbeflächen aus.
Sechs Monate hatten Städte, Kammern, Verbände, Bürgerinitiativen und Einzelpersonen Zeit, Änderungsbedarf am Regionalplan-Entwurf anzumelden. Das ist das übliche Prozedere. Per Gesetz sind Behörden dazu verpflichtet, die Öffentlichkeit über große Planvorhaben zeitnah zu informieren und Bedenken und Kritik von wem auch immer abzuwägen.
Und der Regionalplan Ruhr ist – was Umfang und Dauer angeht – ein ganz großer Plan. Volle acht Jahre hat die Verwaltung des Regionalverbandes Ruhr an dem in der Endfassung 2400 Seiten starken Regionalplan-Entwurf gearbeitet. Mit dem Papier soll die häufig kritisierte planerische Dreiteilung des Ruhrgebiets durch die Bezirksregierungen Arnsberg, Düsseldorf und Münster nach Jahrzehnten beendet und die einheitliche Flächenplanung für das gesamte Revier in die Hand des RVR gelegt werden. Derzeit teilt sich die Gebietsplanung für das Revier sogar in fünf Zonen. Die Bezirksregierung Arnsberg weist gleich zwei Plangebiete aus. Außerdem gibt es mit der Planungsgemeinschaft Städteregion Ruhr eine weitere Zuständigkeit im zentralen Ruhrgebiet (siehe Grafik).
Flächenpolitik aus einer Hand
Dass die Flächenpolitik für das Ruhrgebiet wieder in einer Hand liegt und nicht „von außen“ ins Revier hinein regiert wird, darüber gibt es breiten Konsens in der Region. Zu oft mussten Bürger, Unternehmen und Institutionen kopfschüttelnd zur Kenntnis nehmen, wie die Planungen für größere Gewerbe- oder Wohngebiete, aber auch für Verkehrswege an den mitten durch die dichte Stadtlandschaft des Reviers verlaufenden Grenzen der drei Regierungsbezirke scheiterten oder dort ausgebremst wurden.
Damit soll nun bald Schluss sein. Noch in diesem Jahr soll der Regionalplan Ruhr wirksam werden. Inzwischen aber ist der Plan selbst zum Zankapfel geworden. Der RVR als verantwortliche Verwaltung droht plötzlich zwischen die Mühlsteine unterschiedlichster Interessen zu geraten. Die Gemengelage ist unübersichtlich: Einerseits weht dem Verband scharfer Wind aus Richtung Ruhr-Wirtschaft ins Gesicht. Seit Monaten trommeln Wirtschaftsverbände, das Handwerk sowie die Industrie- und Handelskammern gegen das angeblich zu geringe Gewerbeflächen-Potenzial, das im Plan ausgewiesen ist. Andererseits setzen den RVR Bürgerinitiativen etwa in Witten und im niederrheinischen Kies-Abbaugebiet unter Druck. Ihnen geht es darum, mögliche neue Industrie- und Gewerbeflächen zu verhindern.
CDU kritisiert RVR-Verwaltung
Ende Februar lief das öffentliche Beteiligungsverfahren aus. Beobachter fürchten nun, dass sich die Erwartung von RVR-Planungsdezernent Martin Tönnes auf einen breiten Konsens nicht erfüllt und die Abarbeitung der Stellungnahme – jede einzelne Einwendung muss beantwortet werden – das weiter Verfahren deutlich verzögert.
Roland Mitschke, Fraktionschef der CDU im RVR-Parlament, findet es denn auch verdächtig, dass sich die RVR-Verwaltung auch sechs Wochen nach Ende der Bürgerbeteiligung über den weiteren zeitlichen Ablauf auffällig zurückhalte. Mitschke kritisierte zudem die mangelnde Einbeziehung der politischen Gremien ins bisherige Verfahren. Es brauche Zeit, die vielen strittigen Punkte abzuwägen, so Mitschke.
Weitere Verzögerung droht
Weiteres Ungemach droht durch geplante Änderungen des übergeordneten Landesentwicklungsplans (LEP). Neue LEP-Vorgaben, etwa solche zur Aufstellung von Windrädern, müssen in den Regionalplan eingearbeitet werden. Das könnte ein neues Beteiligungsverfahren auslösen. CDU-Mann Mitschke fürchtet, die Debatte könne sich dann bis zur Kommunalwahl 2020 ziehen. Die neuen, direkt gewählten Ruhr-Parlamentariern müssten sich dann „von Grund auf“ in die komplexe Materie des Regionalplans einarbeiten. Damit drohe, so Mitschke, eine Verschiebung auf den Sankt-Nimmerleinstag.