Düsseldorf. Ein Kindertherapeut aus Bad Oeynhausen, gegen den wegen Kinderpornografie ermittelt wurde, blieb 14 Monate lang von der Polizei unbehelligt.
Am Rande der Ermittlungen zu den Missbrauchsfällen von Lügde ist am Donnerstag ein weiterer eklatanter Fall von Polizeiversagen im Zusammenhang mit Kindesmissbrauch bekannt geworden. Bei einem Kinder- und Jugendtherapeuten aus Bad Oeynhausen, der seit November 2017 im Verdacht steht, kinderpornografisches Material angefertigt und konsumiert zu haben, vergingen 14 Monate zwischen dem Beginn der Ermittlungen und der ersten erfolgreichen Durchsuchung seiner Wohnung, wie NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) im Innenausschuss des Landtages sagte.
Der Minister sprach von einer „mittleren einstelligen Zahl von Opfern“. Es sei aber nicht auszuschließen, dass es weitere Opfer des 60-jährigen Mannes gebe,“möglicherweise sogar viele“. Der Beschuldigte sitzt seit dem 29. März in Untersuchungshaft, das Polizeipräsidium Dortmund ermittelt.
Minister Reul: „Das war ein klarer Fehler.“
Dass ausgerechnet ein Kindertherapeut so lange von der Polizei unbehelligt blieb, obwohl offenbar deutliche Spuren mindestens auf den Besitz von Kinderpornografie vorlagen, ist laut Innenminister Reul „ein klarer Fehler“ gewesen. „Gerade vor dem Hintergrund des Berufes des Beschuldigten hätte die Bearbeitung dieses Falles höher priorisiert werden müssen“, so Reul.
Vier Mal hatte die Polizei versucht, im Abstand von mehreren Monaten die Räume des Beschuldigten zu durchsuchen. Er soll allerdings erst beim vierten Durchsuchungsversuch zu Hause angetroffen worden sein. Dann entdeckten die Ermittler „umfangreiches Beweismaterial“ auf Handys, Computern und anderen Datenträger.
Der Beschuldigte war nicht da, die Polizei fuhr wieder weg
Aus „ermittlungstaktischen Gründen“ soll die Polizei so lange mit dem Zugriff gewartet haben. Dahinter stand wohl die Überlegung, dass solche Täter die furchtbaren Bilder und Videos häufig mit sich herumtragen, wie Reul erklärte. Man wollte den Mann antreffen und durchsuchen. Dreimal war er allerdings nicht daheim, als die Polizei durchsuchen wollte.
Reul gab im Ausschuss außerdem bekannt, dass die Zahl der Opfer der Missbrauchsfälle von Lügde inzwischen von 36 auf 40 gestiegen ist, die Zahl der Beschuldigten stieg von sieben auf acht, darunter die drei Hauptverdächtigen. Auch in diesen Fällen ist von „Führungs-“ oder „Polizeiversagen“ die Rede.
Die Innenexpertin der Grünen, Verena Schäffer, findet es „völlig unverständlich“, dass bei dem Therapeuten so lange keine Hausdurchsuchung vollzogen wurde.„Möglicherweise hätten Kinder durch ein konsequentes Vorgehen vor sexuellem Missbrauch geschützt werden können“, sagte Schäffer dieser Redaktion.
Die Staatsanwaltschaft Bielefeld hatte am Donnerstag mitgeteilt, dass der 60 Jahre alte Physiotherapeut und Heilpraktiker in seiner Praxis bei Behandlungen mehrfach pornografische Fotos von zwei Kindern gemacht haben soll. Auch soll er zahlreiche kinder- und jugendpornografische Bilder besessen haben.